Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
eine wunderbare Frau. Schade, dass ich sie nun nicht persönlich kennenlerne. Ich nehme an, Ihr Artikel wird von Romantik, Romantik und Romantik triefen. Wann kann man so einen Job besser erledigen als am Valentinstag? Hab ich recht?«
»O ja.« Glücklicherweise war ich vorgewarnt worden. Mit der Hilfe seiner Frau hatte der Duke das Haus restauriert, das zu Lebzeiten seines verrufenen Vaters total verfallen war, und das hatte ein Vermögen gekostet. Damit sich die Investition lohnte, sollte Seaton Hall für Hochzeitsfeiern und andere Events vermietet werden.
»Fangen wir mit der Kapelle an«, schlug Lance vor. »Die habe ich mit süßen kleinen Lichtern bestückt. Dann machen wir die Bilder vom Säulengang, das müssen wir erledigen, solange wir noch Tageslicht haben. Danach noch ein paar Fotos, bevor Sie Sacheverell und Bibi interviewen, okay?«
Als wir die Tür am anderen Ende der Halle erreichten, räusperte sich der Duke. »Miss Carmichael, wir haben Ihnen noch nicht einmal eine Tasse Tee angeboten!« In dem großen leeren Raum hallte seine Stimme von allen Wänden wider. »Soll ich die Küche verständigen und Tee bestellen?«
Dramatisch seufzte Lance und wechselte einen Blick mit seiner Tante.
»Darling, für Tee haben wir keine Zeit«, sagte sie zu ihrem Mann. Aber sie schaute mich an, und ihre frostige Miene warnte mich. Offenbar durfte ich mich nicht erdreisten, Ja zu sagen. Für die Duchess war ich nur ein Mittel zum Zweck, und sie würde keine Zeit mit Erfrischungen verschwenden, weil sie meine Arbeit wichtiger fand.
»O nein, danke«, erwiderte ich hastig, worauf sie mir ein verkniffenes Lächeln schenkte, bevor sie den Duke die Treppe hinaufführte. »Die Vorhänge sind fantastisch!«, rief ich zu spät.
»Dieses Land ist besessen vom Tee«, vertraute Lance mir auf dem Weg zum palladianischen Flügel an, »aber trotzdem kriegt man nirgendwo eine fettreduzierte Soja-Chai-Latte. Manchmal frage ich mich, wie Bibi das aushält.«
»Wie lange lebt sie schon in England?«, fragte ich.
»Oh, seit Jahren.« Etwas zu schnell scheuchte er mich durch den viktorianisch-gotischen Flügel. Und so fand ich keine Zeit, die Imitation des Fächergewölbes zu inspizieren, geschweige denn die zinnenartigen Elemente an den Thronen, die mittelalterlich aussahen, aber (laut Marthas Dossier) erst vor zwei Delaval-Generationen entstanden waren. »Mit zwanzig begann sie ihr Design-Studium am College in St. Martin, und danach blieb sie da. Man könnte glauben, sie wäre in diesem Land geboren, nicht wahr? Dieser Akzent, erstaunlich. Wie Madonna.«
Ich murmelte einen nichtssagenden, höflichen Kommentar. Ich wollte jetzt keine Zeit mit einer Diskussion über Madonnas großartigen oder mangelhaften englischen Akzent verlieren. Außerdem kam ich ohnehin kaum zu Wort, während Lance sein Programm abspulte und erläuterte, wie er sich meinen Artikel vorstellte. Ein paar Mal versuchte ich mit schwacher Stimme, Marthas Instruktionen zu erwähnen, und hob das Dossier, als könnte ich ihn damit niederschlagen und zur Kapitulation zwingen. Bereitwillig ging er auf alle meine Ideen ein, nur um sie sofort wieder zu verwerfen. Wie er mir erzählte, hatte er das Haus in den fünf Jahren der Renovierung regelmäßig besucht. Ich musste zugeben, dass er besser als ich wusste, auf welche Weise man Seaton Hall präsentieren sollte.
Hätte Martha sich gegen seine Bulldozer-Begeisterung gewehrt? Vielleicht wäre es ihr letzten Endes gelungen, ihren Standpunkt durchzusetzen. Aber ich zweifelte daran. Von Lance Garcia überwältigt, hätte auch sie das Dossier zum Zeichen ihrer Kapitulation wie eine weiße Fahne geschwenkt.
Gewiss würde der Artikel über die Restaurierung die gesamte Country-House -Leserschaft entzücken. Der Duke und die Duchess hatten keine große Innenarchitekturfirma engagiert, sondern mehrere kleine Teams. Vater-und-Sohn-Zimmermänner hatten die Treppe in der Halle nachgebaut. Für die Kapelle waren Gebetskissen per Hand mit regionalen Sehenswürdigkeiten und dem Delaval-Wappen bestickt worden. Die Farben für die Wandanstriche und zum Färben der Dekorationsstoffe hatte man nach traditionellen Methoden hergestellt – mit Holunderbeeren für Violett, Färberwaid für Blau und Zwiebelhäuten für Gelb. Zwei über sechzigjährige Frauen hatten die Stoffe gewebt. In den letzten Jahren hatte Lance die einzelnen Arbeitsphasen in zeitlosem Schwarz-Weiß fotografiert – eine Verbeugung vor dem altehrwürdigen Handwerk.
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