Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
unter den Tisch. Dort hockte der zitternde Murphy, doch als er sah, dass ich nicht Warren war – und auch nicht mit irgendwelchen Flüssigkeiten auf ihn zielte –, beruhigte er sich ein wenig. Ich versuchte ihn unterm Tisch vorzulocken, aber er rührte sich nicht vom Fleck. Vielleicht war er sich nicht sicher, ob ich auf Warrens Seite war oder nicht. Als ich mich wieder aufrichtete, wirkte mein Bruder auf eine für ihn ganz untypische Weise verwirrt.
»Und, ähm …« Er räusperte sich, öffnete und schloss die Kühlschranktür aus völlig unerfindlichen Gründen. »… wie soll ich das bitte schön anstellen?«
»Wie du sie einladen sollst?«, wiederholte ich. »Na, ganz einfach. Du …« Ich stutzte, als ich Warrens Gesichtsausdruck sah. Möglicherweise wusste er tatsächlich nicht, wie er das machen sollte. »Du fängst erst mal ein Gespräch an«, sagte ich. »Und dann lenkst du es geschickt auf das, was du als Verabredung vorhast.«
»Aha«, sagte meine Bruder und ließ den Blick durch die Küche schweifen, während seine Hand auf dem kleinen, linierten Notizblock ruhte, den wir immer neben dem Telefon liegen hatten. Es sah tatsächlich aus, als ob er drauf und dran war, sich Stichworte aufzuschreiben. »Hättest du vielleicht mal ein Beispiel dafür?«
»Also …« Nun hatte ich selber noch niemanden so direkt eingeladen, aber ich hatte schon ab und zu Jungs auf die Sprünge geholfen. »Also, falls du vorhast, mit ihr essen zu gehen, erwähnst du einfach, dass du eine ganz tolle Pizzeria kennst. Und dann sagt sie hoffentlich, wie furchtbar gern sie Pizza isst, und dann lädst du sie halt ein, mit dir Pizza zu essen.«
»Gut.« Warren nickte. Nach einer kurzen Pause fragte er: »Und wenn sie nun keine Pizza mag?«
Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass mein Bruder einen IQ fast im Geniebereich hatte – nach diesem Gespräch hätte ich es nie und nimmer geglaubt.
»Das war doch nur ein Beispiel. Such dir halt aus, was dir so einfällt. Kino, Minigolf, was weiß ich.«
»Okay«, sagte Warren und wirkte gedankenverloren. »Alles klar.«
Er ging aus der Küche, kam noch mal kurz zurück und lächelte mich etwas verlegen an. »Danke, Taylor.«
»Kein Problem«, sagte ich und widmete mich einem weiteren Versuch, den Hund unter dem Tisch hervorzulocken.
Danach blieb Murphy ein paar Tage lang von Anschlägen verschont, sodass ich annahm, Warren wäre meinem Rat gefolgt oder hätte zumindest seine bisherige Strategie aufgegeben. Aber jetzt sah es ganz danach aus, als ob der Hund wieder mal die Unfähigkeit meines Bruders zum Flirten im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden musste.
Ich schaute über den Tresen zu Gelsey und Nora, die sich gerade die Tüte mit den gefrorenen M&Ms hin und her reichten. »Und was war es diesmal?«
»Sirup«, sagte Gelsey. »Mom war auf 180.«
»Kann ich mir vorstellen«, nickte ich und dachte an die klebrige Sauerei, die das gewesen sein musste.
»Und sie erlaubt Warren nicht, ihn abzuholen. Sie will, dass du das machst und auf dem Rückweg gleich Maiskolben fürs Abendessen mitbringst.«
»Geht klar.« Ich sah auf die Uhr. Erfreut, dass ich nur noch eine halbe Stunde zu arbeiten hatte, streckte ich mich ausgiebig.
»Was ist denn los mit euerm Hund?«, fragte Elliot, der offenbar beschlossen hatte, sich an unserem Gespräch zu beteiligen.
Nora sah ihn finster an. »Wer bist du denn?«
»Elliot«, sagte er und zeigte auf sein Namensschild. »Taylors Chef.«
Dazu konnte ich nur die Augen verdrehen. »Schwachsinn.«
»Dann eben ihr Vorgesetzter«, besserte er ungerührt nach.
»Noch irgendwas?«, fragte ich die Mädchen.
»Nö«, meinte Gelsey, hielt mir die Tüte mit den gefrorenen M&Ms hin und ich schüttete mir drei davon auf die Handfläche. Im Gegensatz zu Skittles war mir bei M&Ms die Farbe egal. »Bis später!«
»Ciao«, rief ich ihnen nach, aber sie hatten schon wieder die Köpfe zusammengesteckt und waren ins Gespräch vertieft.
»Deine Schwester?«, fragte Elliot und schwang sich hoch auf den Tresen.
Ich nickte. »Und die Tochter von unseren Nachbarn. Die zwei gibt’s derzeit nur im Doppelpack.« In dem Moment piepte eine SMS in meinem Handy, und ich zog es aus der Hosentasche. Sie war von Lucy, aber statt der Nachricht, die ich erwartet hatte – nämlich dass ich endlich wieder rauskommen sollte, damit wir weiterquatschen konnten –, stand da nur ein Wort: FRED!!!
»Fred ist hier«, zischte ich Elliot zu. Er sprang
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