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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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peinlichen Reality-Shows, in der die Hauptakteure sich nicht ausstehen können und trotzdem irgendwie miteinander auskommen müssen. Doch in den folgenden Tagen wurde immer deutlicher, dass wir im Zuge unserer Wiederannäherung kaum noch Zeit mit ihm verbrachten.
    Dabei war das alles gar nicht so einfach. Erstens waren inzwischen fünf Jahre vergangen, in denen bei uns beiden einiges passiert war. Obwohl es natürlich Spaß machte, uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen, gab es immer wieder diese Momente, in denen offensichtlich wurde, wie riesig die Informationslücken bei mir waren. Zum Beispiel, wenn Lucy von einer Susannah sprach und ich keinen Schimmer hatte, dass es um ihre Stiefmutter ging. Manchmal machte sie auch eine Bemerkung oder bezog sich auf etwas, das Elliot sofort verstand, während ich komplett im Dunkeln tappte. Ich schloss gewissermaßen eine neue Freundschaft und lernte gleichzeitig eine alte Freundin neu kennen. Aber irgendwas hatte sich verändert, nachdem sie zur Pyjamaparty meiner Schwester rübergekommen war. Wir hatten es geschafft, die Vergangenheit und die Gründe für das Ende unserer Freundschaft hinter uns zu lassen, und mir war wieder klar geworden, was für eine gute Freundin Lucy war. Ganz abgesehen davon, wie viel Spaß es einfach machte, mit ihr zusammen zu sein. Ich hatte vergessen, dass mit Lucy immer was los war. Mit Lucy wurde selbst ein Gang zum Supermarkt zwecks Beschaffung von Knabberzeugs zum Abenteuer. Aber wir konnten auch einfach stundenlang nur reden und tratschen, ohne dass das Gespräch jemals erlahmte.
    Wir hatten festgestellt, dass wir beide das Stück Wiese mit den Picknicktischen mochten. Hier hatte man sowohl Sonne als auch Schatten, konnte aufs Wasser schauen und – was am Wichtigsten war – hatte auch einen erstklassigen Blick auf den Parkplatz. Man sah daher den Lieferwagen von Fred rechtzeitig, wenn er auf einen Sprung vorbeikam. Das kam gelegentlich vor und deutete meistens darauf hin, dass sich die Fische an dem Tag mal wieder geweigert hatten anzubeißen. Und das war zwangsläufig mit schlechter Stimmung seinerseits verbunden. Da wäre er sicher wenig begeistert, zwei seiner Angestellten während der Arbeitszeit in der Sonne liegen zu sehen.
    Zügig steuerten wir unsere neue Lieblingsstelle an. Dass Elliot für die nächsten drei Kunden zuständig war, konnte in der spätnachmittäglichen Flaute durchaus eine freie halbe Stunde bedeuten, ehe wir wieder in den Imbiss zurückmussten. Lucy streifte ihre Flip-Flops von den Füßen, die wir eigentlich in der Küche gar nicht tragen durften, und ließ sich im Schneidersitz auf der Wiese nieder. Ich setzte mich neben sie, stützte mich hinten auf die Ellbogen und hielt das Gesicht in die Sonne.
    »Also«, sagte Lucy und wandte sich mir zu, »sag mal, wie geht’s denn so?« Da wir den ganzen Tag zusammen gearbeitet hatten, wusste ich, dass das nicht nur eine Höflichkeitsfrage war. Es war eine verschlüsselte Frage nach meinem Dad, die sie alle paar Tage stellte, wobei sie immer darauf achtete, mich nicht zu bedrängen, falls mir nicht nach Reden zumute war. Ich hatte gar nicht geahnt, wie gut es tat, dass noch jemand davon wusste. Und es war so angenehm, die Frage einfach gelassen hinzunehmen und zu wissen, dass sie mir zuhören würde, wenn ich reden wollte – was ich bisher nicht wirklich getan hatte. Aber ich hatte die Möglichkeit. Vor allem war es eine große Erleichterung, nicht heile Welt spielen zu müssen, wie ich das mit fast allen anderen tat.
    »So ziemlich unverändert«, sagte ich und blinzelte in Richtung Wasser. Das entsprach ungefähr der Wahrheit. Der Zustand meines Vaters war im Wesentlichen stabil. Er arbeitete an seinem Fall und an seinem Projekt, das nach wie vor sein Geheimnis war, trotz Warrens zahlreicher Versuche, das Rätsel zu lüften. Wasseine Bestellwut anging, hatte er sich offenbar ein bisschen beruhigt – inzwischen wurden wir nicht mehr mit Delikatessen aus aller Welt überflutet –, aber er wollte immer noch so viele Bücher lesen und so viele Filme sehen wie möglich. Wahrscheinlich legte er sich deshalb jeden Nachmittag ein bisschen hin. Außerdem war er noch dünner geworden, trotz der belgischen Pralinen. Wir waren noch zweimal zusammen frühstücken gewesen, aber jedes Mal aß er ein bisschen weniger von dem, was er sich bestellte. Meine Mutter versuchte offenbar, das beim Abendessen auszugleichen, indem sie ihm einfach doppelt so viel wie uns anderen auf

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