Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
genau, ob es der richtige Zeitpunkt ist …«
Lucy schüttelte den Kopf. »Den perfekten Moment gibt’s eh nicht«, referierte sie wissend. »Guck doch mal, wie’s bei mir und Brett ist.«
Brett war ihr neuester Lover, mit dem sie sich ohne mit der Wimper zu zucken verabredete, obwohl er nur eine Woche in den Poconos bleiben würde. Ich stemmte mich neben sie auf die Theke, schlug die Beine übereinander und sah sie an. Wieder ein Verstoß gegen die Hygienevorschriften, der auf unser Konto ging. Aber im Moment war ich nur froh, dass sich das Gespräch nicht mehr um mich drehte. »Vielleicht«, warf ich betont beiläufig ein, »gibt’s ja noch jemanden, der dich total anhimmelt und den ganzen Sommer hier ist. Möglicherweise jemand, der auf Kartentricks steht?«
Aufmerksam beobachtete ich ihre Reaktion, aber sie schüttelte nur den Kopf. »Nee danke, Elliot ist nicht so mein Typ«, sagte sie ablehnend.
»Also, ich weiß nicht«, widersprach ich so unverfänglich wie möglich. »Ich find Elliot gar nicht mal so übel.«
Aber Lucy schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann ihn ja auch gut leiden, aber bestimmt nicht für ein Date«, erklärte sie bestimmt.
»Wieso denn nicht?« Lucy zog die Stirn kraus, als ob sie darüber nachdachte. Aber noch ehe sie etwas antworten konnte, piepte ihr Handy, und sie holte es aus der Tasche.
»Ich muss los«, sagte sie und lächelte ihr Display an. »Du kommst doch hier klar, oder? Brett hat sich angekündigt.«
Ich nickte und ließ mich von der Theke gleiten. Auch Lucy sprang runter. Schwungvoll warf sie sich ihre Tasche über die Schulter, ging zur Tür, blieb dort stehen und drehte sich noch einmal zu mir um. »Ich meld mich dann später bei dir«, sagte sie, ließ ihren Blick durch den verwaisten Imbiss schweifen und fügte hinzu: »Kommst du wirklich ohne mich mit dem Ansturm hier klar?«
»Werd ich gerade so schaffen«, lachte ich. »Na dann, viel Spaß.« Sie winkte mir noch kurz zu und verschwand, während ich meine restliche Arbeitszeit damit zubrachte, die Eismaschine zu putzen und meine Gefühle für Henry zu sortieren. Gestern Abend hatte ich zwar überhaupt nicht gemerkt, dass da irgendwas vor sich gegangen war, aber bei Licht betrachtet war ich mir dessen nicht mehr so sicher.
Als es auf fünf zuging, machte ich den Kiosk dicht und zog einen Kapuzenpullover über meine abgeschnittenen Jeans (was trübes Wetter und Sweatshirts anging, hatte ich meine Lektion inzwischen gelernt). Trotzdem bibberte ich in der kühlen Luft. Der Wind war stärker geworden und peitschte die Äste jetzt heftig hin und her. Das Wetter war wirklich unangenehm, sodass ich sehr auf ein wärmendes Kaminfeuer zu Hause hoffte.
Aber vorher musste ich noch zu Hensons, um im Auftrag meiner Mutter Mais und Tomaten zum Abendessen einzukaufen. An der Kasse stand ich dann unschlüssig vor den Lakritztüten, die ich sonst immer für meinen Vater von dort mitbrachte, auch wenn er sie in letzter Zeit nicht mehr bei mir bestellt hatte. Als ich gestern Abend auf der Suche nach Chips gewesen war, hatte ich im Schrank hinter einer Cracker-Packung drei Tüten Lakritz entdeckt. Aber Dad jetzt keine mitzubringen, wäre mir wie eine Kapitulation vorgekommen.
»Kommt das auch noch dazu?«, fragte Dave Henson gut gelaunt und zeigte auf die Lakritztüte, die ich in die Hand genommen hatte, um meiner Entscheidung auf die Sprünge zu helfen.
»Ja«, antwortete ich, bezahlte meinen Einkauf und verstaute ihn in meiner Tasche. »Vielen Dank.«
»Na, dann komm mal gut nach Hause«, sagte Dave und schaute hinaus. »Der Himmel sieht ja ziemlich bedrohlich aus.«
Ich winkte Dave und verließ den Laden. In diesem Moment hörte ich in der Ferne Donnergrollen. Seufzend setzte ich die Kapuze meines Sweatshirts auf, als auch schon die ersten Regentropfen auf die Straße fielen. Kaum jemand war auf der Main Street zu sehen – offenbar hatten sich alle vor dem Wetter in Sicherheit gebracht. Und die wenigen, die unterwegs waren, suchten entweder unter einem Vordach Zuflucht oder rannten zu ihren Autos. Auch ich lief schleunigst zu meinem Fahrrad und packte meine Tasche in den Korb. Dabei überlegte ich, ob ich mich lieber irgendwo unterstellen und zu Hause anrufen sollte, damit mich jemand abholen kam, oder ob ich versuchen sollte, so weit wie möglich zu kommen, ehe das Gewitter ganz herangezogen war. Doch wenn ich zu Hause nur wegen ein bisschen Regen einen Hilferuf absetzte, würden sie mich wahrscheinlich bis in alle
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