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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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Rad auf ein Haus zuschob, das mir plötzlich sehr bekannt vorkam. Blinzelnd versuchte ich durch den Regen das Schild zu erkennen. Darauf stand Maryanne’s Happy Hours – es war also tatsächlich das Haus, in dem Henry früher gewohnt hatte. Da die Einfahrt leer war und im Haus kein Licht brannte, würde uns Maryanne hoffentlich nicht gleich von ihrem Grundstück jagen. Ich schob mein Fahrrad weiter und folgte Henry ans hintere Ende des Grundstücks, wo der Wald begann. Dort hatte er angehalten und sein Rad gegen einen Baum gelehnt. Das tat ich ebenfalls und merkte sofort, dass die dichten Bäume durchaus einen gewissen Regenschutz boten. Trotzdem war mir nicht ganz klar, was wir hier wollten. Das wollte ich Henry gerade sagen, als ich sah, wie er im Wald verschwand. Und da begriff ich auch, wo er hinwollte – zum Baumhaus.
    »Alles klar?«, erkundigte er sich, während ich mich bemühte, Halt auf den Holzleisten zu finden, die als Leiter an den Baumstamm genagelt waren.
    »Geht schon«, antwortete ich und griff nach der nächsten Sprosse. Henry war mühelos vorangeklettert und sah jetzt zu mir hinunter. Dieses Baumhaus hatte nichts mit den fertigen Bausätzen aus dem Katalog zu tun, die wie Blockhütten oder Piratenschiffe aussahen und hübsch rechtwinklig aus glatt gehobeltem Holz konstruiert waren. Das hier hatte Henrys Vater gebaut, und zwar ohne schicke Bauanleitung. Er hatte es einfach zwischen die drei Bäume gezimmert, die als Stützen dienten, weshalb der Grundriss eben dreieckig war. Es hatte ein Dach, zwei Wände und einen Boden, aber keine Tür. Die Vorderseite war einfach offen und stand an dem Baumstamm, an dem die Leiter angebracht war, leicht über. Eigentlich war es absolut passend, jetzt herzukommen, denn früher war ich auch immer nur bei Regen hier gewesen. Ich konnte mich nicht erinnern, es je von innen gesehen zu haben, wenn draußen die Sonne schien.
    »Soll ich dir helfen?«, bot Henry an, und ich nickte. Ich streckte eine Hand nach oben, die er ergriff – seine Hand fühlte sich ganz kalt in meiner an – und mich daran nach oben zog, sodass ich ein Bein auf die Holzplanken schwingen konnte, die den Boden bildeten. Drinnen angekommen ließ ich Henrys Hand los und wollte mich aufrichten. »Vorsicht«, sagte er und zeigte nach oben. »Die Decke ist ein bisschen niedrig.«
    Ich sah, dass ich mir beinahe den Kopf gestoßen hätte. »Wow«, murmelte ich und hockte mich hin. Als ich das letzte Mal hier oben war, konnte ich noch problemlos aufrecht stehen. Im Inneren des Baumhauses hatte sich praktisch nichts verändert. Es war völlig leer, bis auf einen kleinen Plastikeimer in einer Ecke, wo es eine undichte Stelle im Dach gab. Alle paar Sekunden machte es leise pling, wenn wieder ein Tropfen hineinfiel.
    Henry saß im Eingang und ließ die Beine baumeln. Er nahm sein Basecap ab und fuhr sich durch die Haare. Dabei strich er eine Locke zurück, die ihm manchmal in die Stirn hing. Gebückt ging ich zu ihm hinüber und setzte mich neben ihn. Ich zog die Beine an und rieb mit den Händen darüber, um wenigstens ein bisschen warm zu werden. Wäre mein Sweatshirt größer gewesen, hätte ich es wahrscheinlich über die Knie gezogen, ohne mich darum zu kümmern, wie blöd das aussah.
    Jetzt, wo wir im Trockenen saßen, hatte ich auch ein Auge dafür, wie großartig der Wald bei Regen aussah. Er kam mir viel grüner vor als sonst. Außerdem fiel der Regen weniger prasselnd, sondern eher sanft zu Boden. Dadurch wirkte alles viel friedlicher als im Platzregen eben noch draußen auf der Straße. Trotzdem war es unverändert stürmisch, und die Bäume bogen sich im Wind. Aber Mr Crosbys Holzkonstruktion war grundsolide und kam kein bisschen ins Wanken.
    »Besser?«, fragte Henry.
    »Viel besser«, antwortete ich. Durch die Bäume hindurch konnte ich Maryannes Haus sehen, in dem zwar immer noch kein Licht brannte, dessen Nähe mir aber unangenehm war. »Hat Maryanne denn nichts dagegen?«
    Henry schüttelte den Kopf. »Nee«, beruhigte er mich. »Ich komme manchmal zum Nachdenken her. Damit hat sie kein Problem.«
    »Na gut«, antwortete ich. Schweigend saßen wir eine Weile da. Das einzige Geräusch war der Regen und der durch die Bäume pfeifende Wind. Wieder schaute ich mich im Baumhaus um und staunte immer noch darüber, wie wenig es sich verändert hatte – abgesehen davon, dass es scheinbar geschrumpft war. »Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal hier oben war«, sagte ich. »Aber es sieht immer

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