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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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zurück war, und dann konnten wir …
    Ich blieb in der Mitte der Einfahrt stehen, weil mir mit einem Mal klar wurde, dass ich gar nicht wusste, wie ich den Satz zu Ende bringen sollte. Ich hatte keinerlei Vorstellung, was ich diesen Sommer eigentlich tun wollte, außer dem Zusammenbruch meiner mir vertrauten Welt beizuwohnen. Allein der Gedanke reichte aus, um mich wieder in Bewegung zu setzen, als ob ich ihn damit irgendwie hinter mir lassen konnte, ebenso wie das Haus und die schweigsame Kaffeemaschine.
    Ganz bewusst drehte ich mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung von Henrys Haus, wobei mir zum erstenMal auffiel, dass wir auf der anderen Seite offenbar ebenfalls neue Nachbarn hatten. Zumindest stand dort ein Toyota Prius in der Einfahrt und ein mir unbekanntes Schild mit der Aufschrift: SOMMER WIE IM FILM.
    Dockside Terrace, unsere Straße, war so früh am Morgen noch völlig verlassen – von einem verschlafenen Hundebesitzer, der einen energischen Golden Retriever ausführte, mal abgesehen. Im Gehen fielen mir unwillkürlich die Schilder vor den Häusern auf und ich war überrascht, an wie viele ich mich erinnern konnte. Fast alle Häuser in Lake Phoenix hatten einen Namen anstelle einer Hausnummer. Unser Haus bildete eine Ausnahme, da wir es nie geschafft hatten, uns auf einen Namen zu einigen. Jeden Sommer hatten wir wieder versucht, darüber abzustimmen, aber anscheinend hatte nie etwas wirklich gepasst.
    Nachdem ich etwa 20 Minuten unterwegs gewesen war, beschloss ich umzukehren. Es wurde allmählich heiß, und je mehr Jogger und Hundebesitzer auftauchten und mir freundlich zuwinkten, desto bewusster wurde mir, dass ich gewissermaßen gerade aus dem Bett gefallen war und nicht mal einen BH anhatte. Als ich auf dem Absatz kehrtmachte, fiel mir eine Lücke im Wald entlang der Straße auf. Ich kannte mich zwar nicht mehr allzu gut hier aus, war mir aber ziemlich sicher, dass von hier aus ein Pfad direkt zu unserem Haus führte.
    Ich hielt noch kurz inne, ehe ich in den Wald einbog, doch dann war es, als hätte ich eine andere Welt betreten. Es war stiller und dunkler hier, das Sonnenlicht drang in langen Strahlen bis auf den Boden und sprenkelte das Grün der Bäume. Obwohl ich etliche Jahre diesen Wald nicht mehr betreten hatte, kam mir alles ganz vertraut vor, als ich den Pfad entlanglief – die Tautropfen auf dem Moos, der Duft der Kiefern, das Knirschen der Zweige und Nadeln unter meinen Flip-Flops. Es war dasselbe Gefühl wie beim Betreten unseres Hauses: die Erkenntnis, dass etwas, bloß weil man es hinter sich lässt, nicht verschwindet. Und während ich weiterging, fiel mir zu meiner großen Überraschung auf, dass es mir gefehlt hatte.
    Eine halbe Stunde später war mir bei dem Gedanken an den Wald schon nicht mehr so wohlig warm ums Herz. Ich war vollkommen vom Weg abgekommen. Zweige hatten mir die Beine zerkratzt, mein Hals war von Mücken zerstochen, und an meine Haare wollte ich lieber gar nicht erst denken. Aber vor allen Dingen war ich sauer auf mich und konnte es gar nicht so recht fassen, dass ich es geschafft hatte, mich ganz in der Nähe von unserem Haus zu verlaufen.
    Ich hatte mein Handy nicht mitgenommen, das mit seiner Kompassfunktion jetzt sehr hilfreich gewesen wäre, vom GPS ganz zu schweigen. Um mich herum konnte ich keinerlei Gebäude ausmachen, nichts, woran ich mich hätte orientieren können, dennoch verfiel ich nicht in Panik. Ich hoffte noch, einfach den Pfad wiederzufinden, um dahin zurückzugelangen, woher ich gekommen war. Die Abkürzung war mir mittlerweile völlig schnuppe – ich wollte nur noch nach Hause.
    Irgendwo in der Ferne hörte ich einen Vogel krächzen und dann, keine Sekunde später, krächzte es zurück, doch das war kein anderer Vogel, sondern eine schlechte Imitation. Kurz darauf hörte ich das künstliche Krächzen wieder, diesmal schon etwas lauter, und ging eilig auf die Geräuschquelle zu. Wenn dort Vogelbeobachter unterwegs waren, hieß das, dass sie mir den Weg zur Straße zeigen konnten und dass ich mich nicht völlig verirrt hatte.
    Dank ihrer beharrlichen Vogelstimmenimitationen hatte ich sie schon ziemlich bald gefunden. Die beiden, einer groß und der andere etwa von Gelseys Statur, standen mit dem Rücken zu mir und starrten wie gebannt einen Baum hinauf.
    »Hallo«, rief ich. Mir war inzwischen egal, ob ich mich vielleicht lächerlich machte. Ich wollte einfach nur nach Hause, frühstücken und meine Mückenstiche behandeln. »Tut

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