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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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mir leid, wenn ich störe, aber …«
    »Pssst!«, machte der Größere, ohne seinen Blick von dem Baum abzuwenden. »Wir versuchen gerade, den …« Er wandte sich um und erstarrte. Der Vogelbeobachter war Henry, der ungefähr genauso überrascht aussah, wie ich mich fühlte.
    Wieder klappte mir der Unterkiefer runter und ich beeilte mich, den Mund wieder zuzumachen. Höchstwahrscheinlich war ich knallrot angelaufen und noch nicht braun gebrannt genug, um es zu verbergen. »Hi«, murmelte ich und verschränkte die Arme. Wieso eigentlich sah ich jedes Mal, wenn ich ihm über den Weg lief, immer noch ein bisschen schlimmer aus?
    »Was machst du denn hier?«, zischte er ungehalten.
    »Wie jetzt, hab ich Waldverbot, oder was?«, konterte ich nicht eben leise, woraufhin sich der Kleinere ebenfalls zu mir umdrehte.
    »Pssst«, machte er und hielt sich ein Fernglas vor die Augen. Als er es herunternahm, kapierte ich, dass er Henrys kleiner Bruder Davy war – mit einiger Mühe konnte ich den Siebenjährigen von damals erkennen. Jetzt sah er fast so aus wie Henry in diesem Alter – nur dass er dafür, dass der Sommer gerade erst angefangen hatte, schon ziemlich braun gebrannt war und aus irgendeinem Grund Mokassins trug. »Wir sind nämlich dem Indigofink auf der Spur.«
    »Davy«, sagte Henry und knuffte ihn am Rücken, »jetzt sei mal nicht unhöflich.« Mit einem Blick zu mir sagte er: »Erinnerst du dich noch an Taylor Edwards?«
    »Taylor?«, fragte Davy mit großen Augen und sah Henry erschrocken an. »Ist nicht wahr!«
    »Hi«, sagte ich, hob kurz die Hand und verschränkte augenblicklich wieder die Arme.
    »Was will die denn hier?«, erkundigte sich Davy halblaut bei Henry.
    »Erklär ich dir später«, erwiderte Henry und sah Davy finster an.
    »Und wieso redest du mit der?«, beharrte Davy, nicht mehr wirklich flüsternd.
    »Also«, unterbrach ich ihr Gespräch mit lauter Stimme, »wenn ihr mir einfach nur …«
    Da hörte man in dem Baum hinter ihnen ein hektisches Flügelschlagen, und zwei Vögel – ein brauner und ein blauer – erhoben sich in die Luft. Davy griff hastig nach seinem Fernglas, aber selbst ich wusste, dass er keine Chance mehr hatte – die Vögel waren auf und davon. Enttäuscht sackte er in sich zusammen und ließ das Fernglas an der Halskordel baumeln.
    »Wir kommen morgen wieder, okay?«, versuchte Henry seinen Bruder leise zu trösten und legte ihm die Hand auf die Schulter. Achselzuckend starrte Davy zu Boden. »Ich will jetzt los.« Henry sah mich an und nickte mir fast unmerklich zu, ehe er sich mit Davy zum Gehen wandte.
    »Ähm«, setzte ich an, weil ich dachte, dass eine klare Ansage sicher angebrachter war, als den beiden einfach hinterherzuschleichen und zu hoffen, dass sie mir schon irgendwie den Heimweg weisen würden. Was, wenn sie gar nicht nach Hause wollten und ich ihnen hinterherlief, obwohl sie nur einem Federvieh nachpirschten? »Wollt ihr gerade nach Hause? Weil ich nämlich irgendwie in die falsche Richtung gegangen bin … Also, falls ihr …« Ich verstummte, vor allem wegen Henrys Gesichtsausdruck, der genauso ungläubig wie genervt war.
    Er seufzte laut und beugte sich zu Davy, um ihm leise etwas zu sagen. »Wir treffen uns dann zu Hause, okay?«, fügte er hinzu. Davy warf mir noch einen finsteren Blick zu und rannte los, in den Wald hinein.
    »Kennt Davy sich hier aus?«, fragte ich, während ich ihm hinterhersah und er allmählich aus unserem Blickfeld verschwand. Ganz offensichtlich kannte er den Weg, aber das hatte ich anfangs ja auch gedacht.
    Aus irgendeinem Grund schien Henry meine Frage komisch zu finden. »Davy kennt den Wald wie seine Westentasche«, beruhigte er mich und um seine Mundwinkel zuckte ein Lächeln. »Er nimmt seine Lieblingsabkürzung – keine Ahnung, wie er die gefunden hat. Ich hab sie noch nie gesehen, aber er braucht damit nur halb so lange nach Hause.« In dem Moment schien Henry wieder einzufallen, wen er gerade vor sich hatte. Das Lächeln verschwand und der genervte Gesichtsausdruck war zurück. »Na, dann mal los«, verkündete er und steuerte in eine völlig andere Richtung, als ich gegangen war.
    Eine Weile stapften wir schweigend unter den Bäumen entlang. Henry sah stur geradeaus und würdigte mich keines Blickes. Ich zählte nur die Minuten, bis ich wieder zu Hause war und das hier hinter mir hatte.
    »Vielen Dank«, sagte ich schließlich, als ich das Schweigen überhaupt nicht mehr ertragen konnte.
    »Keine Ursache«,

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