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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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süße Seite des Lebens in letzter Zeit ein bisschen kurz gekommen ist.« Wir hatten zwar noch elf Haferkekse im Kühlschrank, aber die erwähnte ich lieber nicht. Den einen Schokokeks hatten wir in fünf gleich große Stücke geteilt und der Rest blieb unberührt.
    Ich schaute auf die Uhr. Es war schon fast vier, also nahe an der Zeit, die meine Mutter immer »kurz vor dem Abendessen« nannte, also die Zeit, wo man nichts Süßes mehr essen durfte, weil man sich sonst den Appetit aufs richtige Essen ruinierte. Aber mein Vater und ich hatten schon oft zusammen Eis gegessen und keinem etwas davon verraten – zum Beispiel wenn er mich früher irgendwo aufgelesen hatte, weil ich mal wieder weglaufen wollte. »Findest du?«, fragte ich und er nickte.
    »Aber verrat Mom lieber nichts «, erinnerte er mich. »Sonst brechen eisige Zeiten für uns an.«
    Darüber musste ich einfach lachen. »Ach, wer weiß«, gab ich zurück, als ich eine Parklücke an der Main Street ansteuerte, »vielleicht kann man mit ihr ja doch erste Sahne Kirschen essen.«
    Mein Vater lächelte anerkennend. »Hübsch«, sagte er.
    Unsere Wege trennten sich, als er in Richtung PocoMart und Hensons Gemüseladen weiterging und ich die kleine Eisdiele namens Sweet Baby Jane ansteuerte. Es war ein winziges Geschäft, dessen Name in weißen Kringelbuchstaben auf einer himmelblauen Markise stand. Links und rechts vorm Eingang stand je eine Bank, was auch absolut nötig war, denn drinnen war gerade mal genug Platz für die Theke und einen einzigen Tisch. Vielleicht lag es ja an der Tageszeit, jedenfalls war der Andrang nicht besonders groß. Nur zwei Jungs in Gelseys Alter hatten ihre Fahrräder achtlos hingeworfen, saßen auf einer der Bänke und schleckten an ihren Eistüten. Es war selten, die kleine Eisdiele so gähnend leer zu sehen. Später, nach der Abendbrotzeit, würden die Bänke voll besetzt sein und Eis essende Menschen die Fußwege der Main Street bevölkern.
    Als ich die Tür öffnete und eintrat, traf mich ein Schwall aus klimatisierter Luft und nostalgischen Erinnerungen. Das Lädchen hatte sich kaum verändert: derselbe einzelne Tisch, dieselben handgemalten Schilder, auf denen die Eissorten und Garnierungen aufgelistet waren. Aber die Zeit war offensichtlich auch hier nicht völlig spurlos vorübergegangen, denn inzwischen gab es außerdem mehrere Arten von Joghurteis und wesentlich mehr zuckerfreie Sorten, als ich in Erinnerung hatte.
    Ich musste meinen Vater gar nicht fragen, welches Eis er wollte, denn das Eis seiner Wahl war eine Konstante in seinem Leben: ein Becher mit je einer Kugel Nougat-Sahne und Rum-Rosine. Für mich nahm ich eine Kugel Kokos und eine Kugel Himbeere in der Waffel, denn das war mein Lieblingseis gewesen, als ich das letzte Mal hier war. Ich bezahlte und ging. Da ich beide Hände mit Becher und Waffel voll hatte, drückte ich die Tür mit dem Rücken auf. Gerade wollte ich mein Eis probieren, als ich jemanden sagen hörte: »Geh ruhig durch, ich halte sie.« Dieser Jemand hielt mir die Tür auf. Ich drehte mich um und sah Henry Crosby direkt ins Gesicht.
    Eigentlich hätte mich das nicht mehr überraschen sollen, denn es wäre beinahe verwunderlicher gewesen, wenn ich ihm nicht aus Versehen in die Arme gelaufen wäre. Ich lächelte und ehe ich es verhindern konnte, zitierte ich etwas, das ich von meinem Vater gehört hatte – eine Zeile aus seinem Lieblingsfilm. »Von allen Kaschemmen der ganzen Welt«, sagte ich, »kommst du ausgerechnet in meine.«
    Henry sah mich verständnislos an, und ich kapierte augenblicklich, dass er gar keinen Schimmer haben konnte, wovon ich eigentlich redete. Ich wusste es ja selber kaum. »Sorry«, sagte ich hastig, »ist nur ein Zitat. Aus ’nem Film. Und wahrscheinlich hätte ich besser ›Eisdielen‹ sagen sollen …« Ich verstummte und war nicht mal sicher, wie das mit der Kaschemme eigentlich gemeint war. Wieso hatte ich überhaupt den Drang gehabt, etwas zu sagen?
    »Schon okay«, sagte Henry. »Ich ahne, was du sagen wolltest.« Seine dunklen Haare standen vom Hinterkopf ab, und er trug ein verwaschenes blaues T-Shirt, das so weich aussah, dass ich am liebsten die Hand danach ausgestreckt und die Baumwolle zwischen meinen Fingern gefühlt hätte. Natürlich ließ ich das bleiben und trat stattdessen einen kleinen Schritt zurück, schon um mich der Versuchung zu entziehen.
    »Tja«, sagte ich und suchte nach irgendwas, das ich sagen konnte – ohne großen Erfolg. »Eis

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