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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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strich Gelsey noch einmal mit der Hand über die Haare und nahm ihr das Handtuch ab.
    Gelsey stand auf und tanzte mit mehreren schnellen Drehungen durch die Tür ins Haus. Ich war das inzwischen ja gewöhnt und trat nur kurz beiseite, um sie durchzulassen. Es ging nun schon seit mehreren Jahren so, dass Gelsey, wenn sie in der Stimmung dazu war, lieber tanzte anstatt zu laufen.
    »Also?«, fragte meine Mutter und zupfte die losen Haare aus dem Kamm. »Fährst du mit?«
    »Ja klar«, bestätigte ich, hatte aber trotzdem das Gefühl, dass es noch etwas gab, was sie mir verheimlichte. Ich wollte gerade Luft holen, um sie noch einmal zu fragen, als sie die losen Haare in die Luft warf, wo sie von der leichten Brise aufgegriffen wurden, die schon den ganzen Nachmittag die Bäume zauste. »Was machst du denn da?«
    »Man sollte sich immer im Freien kämmen«, erklärte sie, »damit die Vogelmütter die ausgegangenen Haare zum Nestbauen verwenden können.« Sie schaute prüfend auf den Kamm und ging dann ins Haus, wobei sie im Gehen das Handtuch zusammenfaltete.
    »Mom?«, fragte ich, ehe sie an der Tür war. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie mich an, wartete, und ich wünschte mir plötzlich nichts so sehr, wie mit ihr reden zu können, so wie Gelsey das konnte, und ihr zu sagen, wovor ich wirklich Angst hatte. »Ist was mit Dad?«
    Sie lächelte mich traurig an. »Ich möchte nur, dass er ein bisschen Gesellschaft hat, okay?«
    Natürlich willigte ich ein, und so fuhren mein Vater und ich zusammen nach Stroudsburg, was etwa eine Stunde Fahrt war. Mein Vater saß am Steuer – denn ich hatte meine Lektion gelernt, was spontane Hilfsangebote für ihn anging. Dad schien die Fahrt, so kurz sie auch war, als echten Ausflug anzusehen. Er hielt am PocoMart an, um geröstete Honig-Erdnüsse und Limo für uns zu kaufen, und als wir aus der Stadt herausfuhren, erklärte er mich zur Radio-Verantwortlichen. Das war vielleicht der überraschendste Teil des ganzen Nachmittags, da er bei unseren bisherigen Autofahrten die ganze Zeit entweder über Headset mit seinem Büro telefoniert oder den Börsenbericht im Radio verfolgt hatte.
    Als wir beim Klinikum ankamen, ging mein Vater voraus zur onkologischen Ambulanz, und als er zu seinem Arzt hineinging, versicherte er mir, dass es nicht lange dauern würde. Aber das war jetzt schon 20 Minuten her, und ich wurde allmählich unruhig.
    Ich stand auf, ging am Fahrstuhl vorbei und nahm die Treppe hinunter zum Foyer, denn ich brauchte unbedingt Bewegung. An Ablenkung hatte das Foyer allerdings nicht viel zu bieten – nur Ölgemälde der Gründer des Klinikums und Tafeln, die an besonders großzügige Spenden erinnerten. Außerdem standen auffallend viele Leute rauchend vor dem Eingang, was ich bei einem Krankenhaus schon etwas überraschend fand. Schließlich landete ich in einem kleinen Laden und begutachtete die hier angebotenen Blumensträuße und grinsenden Teddys mit dem Wunsch GUTE BESSERUNG! quer über dem Bauch. Dannkam ich zu den Grußkarten und sah das Angebot in den Kategorien »Ich denke an dich« und »Gute Besserung« durch. An den Beileidskarten ging ich lieber ganz schnell vorbei. Ich wolltegar nicht wissen, was in den düster wirkenden Karten stand, die es offenbar nur in drei Ausführungen gab: mit einer einzelnen Blume, einem fliegenden Vogel oder einem Sonnenuntergang.
    Da mich nichts zum Kaufen reizte, nahm ich einfach eine Packung Kaugummi und legte sie auf den Ladentisch, während ich in meinem Portemonnaie nach Kleingeld kramte. Dabei fiel mein Blick auf einen großen Strauß aus leuchtend violetten und orangeroten Sommerblumen, der neben der Kasse stand. Selbst in diesem sterilen, neonbeleuchteten Geschäft wirkte er durch und durch lebendig und gesund und schien nach Sonne zu duften. Als ich den Strauß so ansah, verstand ich zum ersten Mal, warum Krankenhauspatienten, die keine Chance hatten, nach draußen zu gehen, immerzu Blumen mitgebracht bekamen. Es war, als ob man ihnen damit ein kleines Stück von dem Leben schenkte, das draußen ohne sie weiterging.
    »Das war’s?«, fragte die Frau an der Kasse.
    Ich wollte antworten, doch da blieb mein Blick an dem vorgedruckten Kärtchen hängen, das an einem langen Plastikstab in dem Strauß steckte. WEIL ICH DICH LIEB HAB stand darauf.
    »Wollten Sie noch was anderes?«, fragte sie wieder.
    Etwas verlegen wandte ich den Blick von der Karte ab und gab ihr einen Dollar. »Nein, das ist alles«, antwortete ich, steckte

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