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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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hatte.
    »So«, sagte mein Vater, rieb die Hände aneinander und freute sich. Mir fiel auf, dass seine Kleidung etwas weniger förmlich als sonst war. Statt des üblichen Hemds trug er ein Poloshirt, seine Khakis und uralte Segelschuhe. »Also, eigentlich ist es nicht direkt eine Überraschung. Eher so eine kleine Exkursion.«
    Entgeistert sah ich ihn an. »Exkursion.«
    »Genau. Wir gehen zusammen frühstücken.« Sein Blick ruhte auf mir, und offenbar wartete er auf eine Reaktion. Aber mir ging eigentlich nur durch den Kopf, dass es sehr früh war, ich eigentlich um diese Zeit noch gar nicht aufstehen wollte und er mir eine Überraschung versprochen hatte. »Du brauchst ein anständiges Frühstück«, fügte er mit seiner überzeugendsten Gerichtssaalstimme hinzu. »Es könnte ein großer Tag werden.« Und als ich mich immer noch nicht rührte, grinste er mich an: »Ich geb einen aus.«
    Zwanzig Minuten später saß ich meinem Vater im Pocono Coffee Shop an einem Tisch direkt am Fenster gegenüber. Das Lokal hatte sich in meiner Abwesenheit kaum verändert. An den Wänden befand sich immer noch die alte Holztäfelung, und die roten Sitzbänke hatten denselben rissigen Lederbezug. Auf den Tischen stand Kaffeesahne in Plastikdrückflaschen, die eigentlich für Sirup gedacht waren und mit denen mein Bruder und ich immer riesigen Spaß hatten, als wir noch kleiner waren. Überall hingen gerahmte Fotografien von Lake Phoenix im Wandel der Zeiten. Auf dem Bild neben unserem Tisch war irgendein Schönheitswettbewerb dokumentiert – am Strand aufgereihte junge Frauen, die mit schicken Vierzigerjahre-Frisuren, Schärpen über den Badeanzügen und hohen Blockabsätzen in die Kamera lächeln.
    »Na, was wollen wir uns gönnen?« Mein Vater schlug die große laminierte Speisekarte auf. Ich tat es ihm nach und stellte sofort fest, dass sich auch auf der Karte nichts geändert hatte, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte – obwohl ich ziemlich sicher war, dass es in den letzten fünf Jahren einige wichtige Erkenntnisse in Sachen Cholesterin und gesättigten Fettsäuren gegeben hatte. Aber vielleicht war die Geschäftsleitung ja der Ansicht, dass gesündere Alternativen dem Ruf des Restaurants eher schaden würden, denn schließlich versprach das Schild über der Tür: WALK IN, ROLL OUT.
    »Ich finde, hier sieht alles gut aus«, gab ich zu und überflog interessiert die Seite mit den Ei-und-Fleisch-Gerichten. Da ich diese Woche jeden Morgen knapp dran gewesen war, hatte ich meistens nur schnell einen Müsliriegel im Auto verdrückt.
    »Kann’s losgehen?« Eine Kellnerin mittleren Alters mit der Brille an einer Kette um den Hals kam an unseren Tisch. Ihr Bleistift schwebte schon über dem Bestellblock. An ihrem rotenT-Shirt steckte ein Namensschild, auf dem ich ANGELA las.
    Mein Vater bestellte sich eine kleine Portion Heidelbeer-Pancakes und dazu Schinkenspeck, und ich nahm, was ich hier immer gegessen hatte, nämlich das Pocono-Omelett, welches sich dadurch auszeichnete, dass es vor allem aus Eiern mit mehreren Sorten Fleisch und Käse bestand, aber dafür keinerlei Spuren von Gemüse enthielt.
    Angela nickte und notierte im Gehen unsere Bestellung. Ich schaute über den Tisch zu meinem Vater. Plötzlich fühlte ich mich verlegen.
    Nun war es zwar nicht so, dass mein Vater und ich noch nie zu zweit essen waren. Wir hatten uns schon öfter zusammen Eis gekauft, als ich zählen konnte. Aber es kam selten vor, dass wir zu zweit bei einer Mahlzeit saßen und – ehrlich gesagt – dass ich mal seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte – ohne Geschwister und ohne ständig klingelndes BlackBerry. Ich überlegte, ob das die Gelegenheit war, endlich das zu tun, worüber ich nachdachte, seit ich ihn ins Klinikum begleitet hatte: ihm zu sagen, dass ich ihn lieb hatte. Aber in dem Augenblick kam Angela mit ihrerKaffeekanne, füllte unsere Tassen, und die Gelegenheit war vorbei.
    Mein Vater nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht, als er ihn heruntergeschluckt hatte. Mit weit aufgerissenen Augen sah er mich an und kommentierte: »Das war’s dann mit Schlafen für ungefähr eine Woche.«
    »Stark?«, fragte ich. Als er nickte, drückte ich ordentlich Sahne in meine Tasse und rührte eine Ladung Zucker hinzu. Ich mochte Kaffee, solange er nicht zu sehr nach Kaffee schmeckte. Dann probierte ich vorsichtig, aber selbst mit meinen Zugaben war er immer noch ganz schön heftig. »Na Spitze, jetzt bin ich wach«, sagte ich und nahm

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