Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
meine Notizkärtchen vor die Nase. »Die Handlung hab ich hier notiert, falls du dich kurz einlesen willst – direkt aus Wikipedia.«
Elliot grinste müde. »Nee danke, passt schon. Bis morgen dann, Taylor.«
Ich nickte und sah ihm hinterher. Da wusste ich plötzlich, dass ich bleiben würde. Es war vielleicht das allererste Mal, dass ich nicht davonlief, wenn es schwierig wurde.
Mit meinen Flip-Flops in der Hand bahnte ich mir einen Weg durch die Zuschauer, wobei ich mich gelegentlich duckte, um niemandem die Sicht zu versperren. Schließlich kam ich am Platz meiner Familie an. Mom saß mit dem Rücken zu mir ganz vorn, direkt neben Gelsey, die sich gerade ausgiebig streckte. Warren starrte mit leicht geöffnetem Mund wie gebannt auf die Leinwand, sein Buch lag vergessen neben ihm. Ich ließ meine Latschen in den Sand fallen und platzierte mich neben Dad. Dann strich ich mit der Hand über die Decke, für den Fall, dass versehentlich Sand darauf geraten war. Als mir nichts mehr einfiel, womit ich Zeit schinden konnte, sah ich zu Dad hinüber, dessen Gesicht vom Mondschein und dem flackernden Licht der Kinoleinwand erhellt war. Aber seine Miene war weder vorwurfsvoll noch enttäuscht oder sonst irgendwie verschnupft, wie ich befürchtet hatte.
»Nächstes Mal kriegst du’s hin, Kleines«, sagte er und wuschelte mir durch die Haare. Lächelnd nickte er in Richtung Leinwand. »Kennst du den schon? Ist echt witzig.« Er wandte den Blick wieder zurück zum Film und lachte beim Anblick von Bill Murray, der an einen Schiffsmast gefesselt war.
Mit ausgestreckten Beinen lehnte ich mich zurück, stützte mich auf die Hände und widmete mich dem Film. Und nach einer Weile lachte ich laut über die Handlung, genau wie alle anderen.
Kapitel 16
»Los, Taylor, raus aus den Federn! Ab geht er, der Peter!«
Ich stöhnte auf, nicht nur wegen des abgedroschenen Scherzes – als ich noch kleiner war, hatte ich den nicht verstanden und meinen Vater immer gefragt, wer denn dieser Peter eigentlich sei, sehr zu seinem Amüsement –, sondern vor allem, weil es Sonntagmorgen war, mein freier Tag, und den wollte ich mit Ausschlafen verbringen. »Ach nö«, maulte ich in mein Kissen.
»Na, komm schon«, feuerte er mich an. An dem folgenden metallischen Geräusch, dem Schaben der Gardinenringe über die eiserne Stange, hörte ich, dass er die Vorhänge aufzog. Plötzlich wurde es hell in meinem Zimmer. »Höchste Zeit, aufzustehen.«
»Was?« Ich kniff die Augen fest zusammen und begriff nicht, was vor sich ging. »Nein. Wieso denn?«
»Überraschung«, rief er und kitzelte mich an den Fußsohlen, die unter meiner Decke hervorlugten. Ich musste haltlos kichern – an den Füßen war ich schon immer furchtbar kitzlig gewesen. Ich versteckte sie unter der Decke und hörte, wie mein Vater aus dem Zimmer ging. »Ich warte draußen auf dich«, rief er. »Du hast fünf Minuten Zeit.«
Ich versuchte, die Augen zuzulassen und in den Traum zurückzukehren, der schon anfing zu verblassen, aber ich wusste, dass es aussichtslos war. Das durch mein Zimmer flutende Licht und das Füßekitzeln hatten mich hellwach gemacht. Ich öffnete die Augen, setzte mich auf und sah auf die Uhr. Es war kurz vor neun. So viel zu meinem freien Tag.
Nach dem Film-Debakel war ich gestern wieder zur Arbeit gegangen. Der Tag verlief erträglich – Lucy war zu mir immer noch ein kleines bisschen freundlicher als bisher und vor allem regte sich keiner darüber auf, wie unmöglich ich mich gemacht hatte. Trotzdem war ich froh über die Aussicht, einen Tag in sicherer Entfernung von meiner jüngsten Blamage zu verbringen. Ich hatte vorgehabt, bis Mittag zu schlafen und mich dann vielleicht mit einer Zeitschrift auf dem Steg in die Sonne zu legen. Aber daraus würde ganz offensichtlich nichts werden.
Zehn Minuten später durchquerte ich die Küche, warf im Vorbeigehen einen Blick auf den Kalender und die bereits abgestrichenen Tage – und konnte es kaum glauben, dass schon Juni war. Mein Vater saß auf der Veranda. Er war eindeutig viel zu wach für diese frühe Stunde, besonders wenn man bedachte, dass er in letzter Zeit immer lange geschlafen hatte und meistens noch gar nicht auf war, wenn ich mich auf den Weg zur Arbeit machte.
»Was gibt’s denn für ’ne Überraschung?«, fragte ich ihn, als ich zu ihm hinaus auf die Veranda ging. Außer meinem Vater und den Autos in der Einfahrt war nichts zu sehen. Langsam bekam ich das Gefühl, dass er mich ausgetrickst
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