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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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zurücklächeln – es war fast wie ein Reflex. »Keine Hobos. Nur fast. In dem Zelt wohnt Davy.«
    »Aha.« Ich wartete kurz, ob noch eine Erklärung folgte. Aber als Henry sich auf die Ellbogen stützte und seinen Blick über den See schweifen ließ, fragte ich weiter: »Und wieso wohnt Davy im Zelt?«
    »Das geht jetzt schon seit ein paar Jahren mit seinem Wildnis-Tick. Er würde glatt im Wald übernachten, wenn Dad es ihm erlauben würde. Als Kompromiss haben sie sich auf das Zelt geeinigt. Und das darf er auch nur im Sommer.«
    Ich musste an die wenigen Wochenenden denken, die wir im Winter hier verbracht hatten und wie klirrend kalt es da manchmal gewesen war. Ich nickte. »Hat er das von dir?«
    »Was hat er von mir?« Henry sah mich fragend an.
    »Seine Wald-und-Wiesen-Begeisterung«, erwiderte ich. Henry sah mich unverwandt an, sodass ich schließlich wegschauen und ganz konzentriert die Falten in meinem Handtuch glattstreichen musste. »Du hast mich damals immer gefragt, ob ich mitkomme und mit dir irgendwelche Krabbelviecher bestaune. Da hast du total drauf gestanden.«
    Henry grinste vor sich hin. »Wahrscheinlich ist das immer noch so. Mir gefällt einfach, dass es da draußen im Wald ein System gibt, ein Ordnungsprinzip für alles. Man muss es nur erkennen. Ich gehe oft einfach so in den Wald, wenn ich über irgendwas nachdenken muss.«
    Dann breitete sich Schweigen zwischen uns aus, und ich dachte daran, dass das seit unserer allerersten Begegnung auf diesem Steg das erste Mal war, dass wir nur zu zweit waren – ohne kleine Brüder, Kunden oder blonde Freundinnen. Aber es war kein unbehagliches Schweigen. Es war kameradschaftlich, wie damals, als wir verregnete Tage zusammen im Baumhaus verbrachten oder stundenlang draußen auf dem Badefloß lagen. Ich sah zu ihm, und zu meiner Überraschung schaute er mich an, doch es gelang mir, den Blick nicht abzuwenden. Ich holte Luft, um etwas zu sagen – was, wusste ich nicht, denn in meinem Kopf kam ich nicht weiter als bis zu seinem Namen –, als er abrupt aufstand.
    »Ich werd mal ’ne Runde schwimmen«, sagte er.
    »Oh. Okay. Na dann …« Aber ich vergaß, was ich weiter sagen wollte, weil Henry in dem Moment sein T-Shirt auszog. Du lieber Gott. Ich musste heftig schlucken und sah schnell weg, doch dann fiel mir meine Sonnenbrille wieder ein, die ich oben auf der Stirn geparkt hatte. Ich schob sie so beiläufig wie möglich nach unten, damit ich ihn anschauen konnte, ohne dass es zu offensichtlich nach Anstarren aussah. Keine Ahnung, ob Henry in der Bäckerei Zucker- oder Mehlsäcke gestemmt hatte, jedenfalls waren seine Schultern total breit, seine Arme muskulös, die Bauchmuskeln perfekt definiert …
    Plötzlich kam es mir auf dem Steg viel wärmer vor als noch gerade eben, und als Henry mir zunickte, ehe er ins Wasser eintauchte, versuchte ich ganz cool zurückzuwinken. Ich sah ihm nach, wie er davonschwamm. Sein Schwimmstil kam mir bekannt vor, so wie wir es beide einst beim Training von unseren Schwimmlehrern gelernt hatten. Als ich ihn nicht mehr sehen konnte, zog ich mir eilig Shorts und T-Shirt über, nahm mein Handtuch und ging zurück ins Haus.
    Im Näherkommen fielen mir zwei Dinge auf: Opernmusik und Popcorn. Eine Sopranistin sang sich gerade in schwindelerregende Höhen, als ich von der Veranda in die Küche kam, wo sich mir auch die Ursache des Popcornduftes offenbarte.
    Auf dem Esstisch stand Popcorn in Mengen, die für ein ganzes Kino gereicht hätten – Popcorn in Dosen, Popcorn in Tüten, Popcornkugeln in Plastikfolie gewickelt. Warren stand unweit davon in der Küche und warf eine Popcornkugel in die Luft, während mein Vater am Tisch saß, die Arie mitsummte und im CD-Heft blätterte. In seiner Armbeuge schlief der Hund.
    »Hallo«, meldete ich mich und legte meine Sonnenbrille und die Zeitschrift auf den Küchentisch. Ich musterte meine Umgebung, und aus der Tatsache, dass das Haus vor meinem Ausflug zum Steg noch keine Popcornfabrik gewesen war, schloss ich, dass das Ganze was mit der UPS-Lieferung zu tun haben musste.
    »Taylor, hör doch mal«, sagte mein Vater und hielt einen Finger hoch. Warren fing seine Popcornkugel, und wir lauschten alle der Frauenstimme, die auf Italienisch sang. Als sie mit ihrer Arie fertig war, strahlte er mich an, und mir fiel zum ersten Mal auf, wie weiß seine Zähne im Vergleich zu seiner immer gelblicheren Gesichtshaut strahlten. »Ist das nicht wundervoll?«
    »Sehr nett«, bestätigte ich, ging

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