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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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zum Tisch und bediente mich aus einer Tüte, die offenbar süß-salziges Kettle-Corn enthielt.
    »Das ist Der Barbier von Sevilla «, erklärte mein Dad. »Mom und ich haben die Oper kurz nach unserer Hochzeit gesehen. Danach hatte ich mir immer vorgenommen, das irgendwann noch mal anzuschauen.« Er schaute wieder auf das CD-Heft und blätterte langsam die Seiten um, während ich weiter an meinem Kettle-Corn kaute, das alles, was ich in der Hinsicht bisher probiert hatte, absolut in den Schatten stellte.
    »Das ist unglaublich«, sagte ich, und mein Vater signalisierte, dass er auch etwas davon wollte. Obwohl er sich eine ganze Handvoll nahm, fiel mir auf, dass er nur ein paar der Maiskörner knabberte und beim Schlucken das Gesicht verzog. Trotzdem lächelte er mir zu.
    »Angeblich das beste Popcorn im ganzen Land«, sagte er. »Ich dachte, dass wir das unbedingt probieren sollten, besonders heute Abend, wenn wir uns Der dünne Mann ansehen.« Ich tauschte einen Blick mit Warren aus, der seine Kugel wieder in die Luft warf. Obwohl keiner von uns den Film auch nur ansatzweise kannte, hatte mein Vater schon seit Jahren davon erzählt. Ihm zufolge war Der dünne Mann das beste Gegenmittel für verkorkste Tage und immer, wenn wir schlechte Laune hatten, bot – oder drohte, je nachdem, wie man es sah – er uns an, ihn uns zu zeigen. »Der Film wird euch gefallen, Kinder«, fuhr er fort. »Und Murphy wird sicher voll auf Asta abfahren.« Er strubbelte dem Hund durchs Fell, der davon aufwachte und gähnte und dann entspannt seinen Kopf auf Dads Arm ablegte.
    Zumindest war das der Plan meines Vaters, doch dann kam Gelsey nach Hause, völlig aus dem Häuschen vor Glück, dass Nora bei uns übernachten durfte. Und wie es aussah, hatte Mom Warren und mich als freiwillige Babysitter verpflichtet, denn für Dad und sich hatte sie einen Tisch in ihrem Lieblingsrestaurant in Mountainview reserviert. Da von unten die Oper weiterdudelte, Gelsey sich vor Freude über die Übernachtung kaum einkriegte und Warren zu seinem Lieblingsthema Faszination Tiermedizin zurückgekehrt war, zog ich mich mit meiner Zeitschrift und einer Coke light auf die Eingangsveranda zurück. Die Bäume warfen schon lange Schatten auf den Kies, als meine Mutter auf der Veranda erschien. »Taylor?«, rief sie.
    »Ja?« Ich drehte mich um und sah, dass meine Mutter sich so schick gemacht hatte wie schon lange nicht mehr. Sie trug ein weißes Sommerkleid, hatte die Haare im Nacken zu einem Knoten gebunden und sogar Lidschatten aufgelegt. Ich roch ihr leichtes, blumiges Parfüm, das sie nur zum Ausgehen trug und das mich an all die Abende erinnerte, an denen ich im Badezimmer gesessen und ihr beim Zurechtmachen zugesehen hatte, bevor sie mit Dad ausging. Damals war ich felsenfest davon überzeugt, dass meine Mutter die schönste Frau der Welt war. »Du siehst toll aus«, sagte ich und meinte das ernst.
    Sie lächelte und strich sich über die Haare. »Hm, wenn du meinst«, sagte sie, »danke. Geht das in Ordnung, dass ihr heute Abend auf die Mädels aufpasst?«
    Ich nickte. »Klar. Geht völlig in Ordnung.« Obwohl Warren auch zu Hause bleiben wollte, hatte ich so das Gefühl, dass er sich bei der erstbesten Gelegenheit mit seinem Buch verkrümeln würde. Mom stand noch einen Moment unschlüssig auf der Veranda herum und knetete ihre Hände. Das Schweigen machte mir bewusst, wie sehr ich mir wünschte, dass alles anders wäre. Ich wollte mit ihr reden und ihr sagen, dass ich Angst vor dem hatte, was auf uns zukam, und wünschte mir, dass sie dann sagte: Alles wird gut. Aber unser leicht unterkühltes Verhältnis hielt mich davon ab. Plötzlich wurden mir die Schranken und Mauern bewusst, die ich zwischen meiner Mutter und mir errichtet hatte – beiläufig, gedankenlos, ohne zu ahnen, dass ich sie eines Tages vielleicht gern einreißen würde.
    »Kann’s losgehen?« Mein Vater erschien ebenfalls auf der Veranda. Jetzt sah er wieder mehr aus wie der Vater, mit dem ich aufgewachsen war. Er trug Sakko und Krawatte, und ich versuchte, nicht darauf zu achten, wie übergroß seine Sachen an ihm wirkten und er darin zu verschwinden schien. Als sie mir zum Abschied winkten, durch die langsam einsetzende Dunkelheit zum Auto gingen und meine Mutter mir letzte Anweisungen zurief, die ich nickend entgegennahm, dachte ich, dass sie auch einfach ein ganz normales Paar sein konnten, das zum Essen ausging. Sie hätten einfach nur meine Eltern sein können, beide gesund und

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