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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Matson
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gedacht – an den Henry von jetzt und den Henry von damals – und zwar viel öfter, als ich je zugegeben hätte.
    »Ich meine das Zelt neben ihrem Haus«, präzisierte Warren und blinzelte durch die Lücke zwischen den Bäumen,wo man ein Stück Zeltplane in leuchtendem Orange hindurch sehen konnte. »Sieht fast so aus, als ob die dort Penner beherbergen.«
    Kopfschüttelnd legte ich mich wieder hin. »Kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Na ja, was du dir so vorstellst, aber statistisch …« Ich ließ Warrens Geschwafel über die juristische Definition von »Hausbesetzung« über mich ergehen, das allmählich in langatmige Ausführungen zur Herkunft des Wortes »Hobo«, eines Wanderarbeiters, abdriftete, und als ich es gerade einigermaßen geschafft hatte, sein Gefasel auszublenden, hörte ich direkt über mir eine vertraut klingende Stimme.
    »Na ihr?« Ich öffnete die Augen und sah Henry, der in seinem verwaschenen Bäckerei-Shirt, Surf-Shorts und einem Handtuch in der Hand auf dem Steg stand.
    »Ähm, hallo«, stammelte ich, setzte mich auf und versuchte, meine Haare lockerzuschütteln, die von der Hitze ganz schlapp geworden waren, wie ich fürchtete.
    Warren stand auf, neigte den Kopf zur Seite und fragte: »Henry?«
    Henry nickte. »Hi, Warren. Lange nicht gesehen.«
    »Kann man so sagen«, bestätigte Warren. »Schön, dich wiederzusehen.« Er ging auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. Nach einem winzigen Zögern nahm Henry sein Handtuch in die andere Hand und sie begrüßten sich. »Wie ich gehört hab, wohnt ihr jetzt neben uns. Wie geht’s euch denn?«
    »Passt schon«, antwortete Henry. Er warf mir einen Blickzu und für einen kurzen Moment sahen wir uns in die Augen, aber das reichte, um meinen Puls in die Höhe zu treiben. »Und euch?«
    »Oh, prima«, sagte Warren. »Gut, wirklich. Im Herbst geht’s ab an die Uni. Muss jetzt im Sommer viel lesen.« Henry nickte höflich, wobei ihm offensichtlich nicht klar war, dass Warrens Redefluss gerade erst einsetzte. »Im Augenblick befasse ich mich mit der Geschichte der Veterinärmedizin. Echt faszinierend. Hast du zum Beispiel gewusst, dass …«
    »Warren«, schnitt ich ihm das Wort ab. Er beäugte mich fragend und ich versuchte, ihm freundlich lächelnd per Gedankenübertragung mitzuteilen, dass er dringend den Mund halten oder – noch besser – sich augenblicklich verziehen sollte.
    »Ja?«, fragte er. Offensichtlich war meine geistige Botschaft nicht bei ihm eingetroffen.
    »Wolltest du nicht, ähm, Dad bei irgendwas helfen? Im Haus?« Aber Warren starrte mich nur entgeistert an, und ich fragte mich nicht zum ersten Mal in diesem Sommer, ob mein Bruder wirklich so scharfsinnig war, wie alle dachten.
    »Oh«, sagte er nach einer etwas zu langen Denkpause. »Ja, äh, klar.« Mit wippenden Augenbrauen sah er mich vielsagend an, was sehr untypisch für ihn war und außerdem unglaublich nervte. Doch selbst dann verschwand er noch nicht richtig. Nach nur zwei Schritten drehte er sich wieder um. »Ach so, Henry, wegen dem Zelt bei euch im Garten …«, fing er wieder an.
    »Warren«, zischte ich.
    »Okay«, lenkte er ein, winkte Henry kurz zu und marschierte dann den grasbewachsenen Hang hinauf zu unserem Haus.
    »Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte Henry und kam zu der Stelle, wo ich es mir auf dem Steg gemütlich gemacht hatte. Er ließ sein Handtuch neben meins fallen. »Ich hatte nicht gesehen, dass ihr hier draußen seid.«
    »Oh, kein Problem.« Meine Stimme driftete in peinliche Höhen ab. Es war, als ob ich allmählich zur Muppetfigur mutierte. Und plötzlich fiel mir auf, dass ich mit meinem Bikini nicht gerade besonders viel anhatte. »Völlig in Ordnung. Absolut, vollkommen … in Ordnung.«
    Henry breitete sein Handtuch aus, setzte sich darauf und streckte sein langen Beine von sich. Mir war überdeutlich bewusst, wie wenig Platz sich zwischen uns befand, und ich musste unwillkürlich an den Moment im Wald denken, an seine Hände auf meinem Rücken, als das einzige, was seine Haut von meiner trennte, der dünne Stoff meines T-Shirts war.
    »Hat dein Bruder irgendein Problem mit unserem Zelt?«, fragte er und katapultierte mich damit zurück in die Gegenwart.
    »Nicht direkt«, sagte ich. »Er hat nur … überlegt, was es damit auf sich hat. Er hatte bisschen Angst, dass ihr vielleicht Hobos beherbergt oder so.«
    Henry musste lächeln, als er das hörte. Davon bekam er kleine Lachfalten um seine grünen Augen und ich musste einfach

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