Vergiss die Toten nicht
Nähe des Pflegeheims, in dem Winifred Johnsons Mutter lebt. Wir werden erwartet.«
Er hielt inne. »Da wäre noch etwas. Heute Morgen habe ich in North Dakota angerufen, weil unser Mann dort sich nicht mehr gemeldet hat. Gerade hat er unsere Nachricht bekommen und zurückgerufen. Sein Bericht über Adam Cauliff ist nun vollständig. Er faxt ihn uns gerade.«
»Wovon reden Sie?«, fragte Mac. »Was hat Nell vor, und warum ermitteln Sie gegen Adam Cauliff?«
»Wie ich bereits sagte, hat Ihre Enkelin uns sehr bei unseren Nachforschungen geholfen, Sir«, erwiderte Sclafani. »Unser Kontaktmann in North Dakota hat versucht, etwas über Cauliffs Vergangenheit herauszufinden. Offenbar ist er auf einige Besorgnis erregende Informationen gestoßen. Es scheint, als hätte Adam Cauliff Geheimnisse gehabt, von denen weder Sie noch Ihre Enkelin etwas erfahren durften.«
79
A
ls Nel in die Stadt zurückfuhr, begann es wieder zu regnen.
Sintflutartige Sturzbäche prasselten gegen die Windschutz-scheibe.
Immer wieder flackerten die Bremslichter ihres Vordermannes rot auf, während sich der zähfließende Verkehr allmählich in einen ausgewachsenen Stau verwandelte.
Nel schnappte nach Luft, denn ein leichter Zusammenstoß auf der linken Spur führte dazu, dass ein Auto unvermittelt nur wenige Zentimeter vor ihr einscherte. Sie hätte die Beifahrertür fast berühren können.
Obwohl ihr die Ereignisse des Vormittags nicht aus dem Kopf wollten, zwang sie sich, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Erst als sie den Wagen in der Tiefgarage abgestellt hatte, gestattete sie sich, weiter über das, was sie heute erfahren hatte, nachzudenken.
Winifred hatte mit Harry Reynolds ein gemeinsames Schließfach gehabt.
Adam besaß ebenfalls einen Schlüssel zu diesem Schließfach.
Zuerst hatte Nell sich keinen Reim darauf machen können, aber nun hatte sie einen Verdacht: Adam war Harry Reynolds.
»Ist alles in Ordnung, Ms. MacDermott?« Manuel, der Fahrstuhlführer, betrachtete sie besorgt.
»Ja, danke. Nur ein bisschen wackelig auf den Beinen. Die Fahrt hierher war die Hölle.«
Es war fast drei Uhr, als sie ihre Wohnungstür aufschloss und eintrat.
Ein Zufluchtsort! Inzwischen wünschte sie sich nichts sehnlicher, als Adams Sachen loszuwerden. Ganz gleich, was sonst noch ans Licht kam – offenbar hatten Winifred und er ein heimliches Verhältnis gehabt. Vielleicht war es eine rein geschäftliche Beziehung gewesen, und er hatte sie nur in dem Glauben gewiegt, dass noch mehr möglich wäre. Obwohl Nell es noch immer nicht glauben wollte, war es durchaus möglich. Die Antwort mochte aussehen, wie sie wollte, jedenfalls sollte sie nichts mehr in ihrer Wohnung an Adam erinnern.
Ich bin verliebt in die Liebe…
Das wird mir nie wieder passieren!, schwor sich Nell.
Du wirst es nie mehr nötig haben, so einen Fehler zu machen, sagte sie sich.
Ihr Anrufbeantworter blinkte, offenbar waren Nachrichten darauf. Die erste war von ihrem Großvater: »Nell, Dan und ich haben uns wegen des Todes seiner Mutter die Ermittlungsakten angesehen. Zufällig haben wir die Detectives Sclafani und Brennan kennen gelernt. Du hast ihnen etwas ausrichten lassen.
Nun haben sie offenbar Informationen über Adam, die, wie ich fürchte, ziemlich unschön sind. Gegen fünf kommen die beiden zu mir ins Büro. Dan wird ebenfalls da sein, und ich möchte, dass du auch dabei bist.«
Darauf folgte eine Nachricht von Dan: »Nell, ich mache mir Sorgen um Sie. Ich habe mein Mobiltelefon bei mir. Bitte rufen Sie mich so bald wie möglich an. Die Nummer ist 917-555-1285.« Sie wollte das Gerät schon abschalten, als sie wieder seine Stimme hörte: »Nell, ich sage es noch einmal: Ich brauche Sie.«
Wehmütig lächelnd, löschte Nell die Nachrichten. Dann ging sie in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Und ich mokiere mich noch über seine miserable Vorratshaltung, dachte sie beim Anblick des kärglichen Inhalts.
Ich habe zwar keinen Hunger, aber irgendwas muss ich essen.
Sie entschied sich für einen Apfel. Beim Hineinbeißen erinnerte sie sich an eine längst vergangene Geschichtsstunde. Anne Boleyn hatte auf dem Weg zum Schaffott einen Apfel verlangt –
oder sogar gegessen?
Welches von beidem stimmte? Plötzlich wollte Nell es ganz genau wissen.
Lass Tante Gerti zu Hause sein, flehte sie, als sie zum Telefon griff.
Zum Glück hob Gerti schon beim ersten Läuten ab. »Nel , mein Kind, heute ist ein wunderschöner Tag. Ich klebe gerade die Fotos ins
Weitere Kostenlose Bücher