Vergiss die Toten nicht
bekannt. In der Bibliothek wurden außerdem Essensreste und ein Schlafsack sichergestellt. Wir glauben, dass Ihre Mutter in der Vandermeer-Villa kampierte und versehentlich den Brand auslöste vielleicht wollte sie sich ja etwas zu essen machen. Dann ging sie nach oben ins Bad, zufällig das Einzige, das im Haus noch funktionierte, und wurde dort von den Flammen eingeschlossen. Falls sie versucht haben sollte zu fliehen, hätte sie wahrscheinlich wegen des dichten Qualms nicht einmal die Treppe gefunden.«
»Nun möchte ich Ihnen etwas über meine Mutter erzählen«, sagte Dan. »Sie hatte eine Todesangst vor Feuer, besonders vor Flammen in einem offenen Kamin. Niemals hätte sie freiwillig einen Kamin angezündet.«
Er bemerkte die höflichen und zweifelnden Mienen der Polizisten. »Mein Vater hat meine Mutter verlassen, als ich drei Jahre alt war. Danach erkrankte sie an einer Depression und begann stark zu trinken. Tagsüber hatte sie sich im Griff, doch abends, nachdem ich im Bett war, betrank sie sich bis zur Bewusstlosigkeit.«
Dans Stimme zitterte. »Ich erinnere mich noch, welche Sorgen ich mir als Kind um sie machte. Ich wachte auf und schlich mich mit meiner Decke nach unten. Jedes Mal schlief sie auf dem Sofa, eine leere Flasche neben sich. Damals zündete sie gern ein Feuer im Kamin an und las mir daneben auf dem Sofa vor, ehe ich ins Bett ging. Als ich eines Nachts wieder nach ihr sah, lag sie bewusstlos auf dem Boden genau vor dem Kamin. Ich schüttelte die Decke aus und wollte sie zudecken, doch ein Zipfel geriet mir dabei in den Kamin. Und als ich die Decke zurückziehen wollte, fing mein Schlafanzug Feuer.«
Er stand auf, zog die Jacke aus und knöpfte sein Hemd auf.
»Beinahe hätte ich diesen Arm verloren«, sagte er, während er den Ärmel hochkrempelte. »Fast ein ganzes Jahr verbrachte ich im Krankenhaus, musste unzählige Hauttransplantationen über mich ergehen lassen und wieder lernen, den Arm zu benutzen.
Ich litt schreckliche Schmerzen. Meine Mutter hatte solche Schuldgefühle und große Angst vor einer möglichen Anzeige wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht. Nach einer langen Nacht an meinem Krankenbett verschwand sie und kam nie zurück. Sie konnte es nicht ertragen, mein Leid mit anzusehen.
Wir wussten nicht, wo sie war, bis wir sie vor sieben Jahren in einer Fernsehdokumentation über Obdachlose in New York sahen. Ein Privatdetektiv, an den wir uns wandten, sprach mit einigen Leuten in den Unterkünften, die sie kannten. Jeder hatte etwas anderes zu berichten, doch in einem Punkt waren sie sich alle einig: Beim Anblick von offenem Feuer geriet sie in Panik.«
Dans rechter Arm war von oben bis unten mit Brandnarben bedeckt. Er schüttelte die Hand und streckte den Arm aus. »Es dauerte eine Weile, bis die Beweglichkeit zurückkehrte«, sagte er. »Und es sieht auch nicht sehr hübsch aus. Aber die Freundlichkeit der Ärzte und Schwestern, die ich als Kind erleben durfte, ist der Grund, warum ich heute ein verdammt guter Chirurg bin und die Abteilung für Brandverletzte leite.«
Er rollte den Hemdsärmel herunter und knöpfte ihn zu. »Vor ein paar Monaten begegnete ich einer Obdachlosen namens Lilly, die mit meiner Mutter befreundet war. Wir sprachen ausführlich über sie, und Lilly erwähnte ebenfalls, meine Mutter hätte große Angst vor Feuer gehabt.«
»Sie scheinen sich Ihrer Sache sehr sicher zu sein, Herr Doktor«, meinte Jack Sclafani. »Natürlich ist es durchaus möglich, dass Karen Renfrew, die Frau, deren Sozialhilfeausweis angeblich gestohlen wurde, den Brand verursacht hat. Die Villa war sehr groß. Vielleicht wusste sie gar nicht, dass Ihre Mutter sich ebenfalls im Haus aufhielt.«
»Ich halte das für wahrscheinlich. Soweit ich weiß, suchte sich meine Mutter stets einen Ort, an dem sie allein sein konnte, wenn sie wieder ihre Depressionen bekam.«
Dan zog seine Jacke an. »Ich konnte meine Mutter nicht vor sich selbst retten«, sagte er. »Dafür aber ihren Ruf. Ich möchte, dass sie nicht mehr als Verdächtigte in diesem Brandfall betrachtet wird.«
Das Telefon läutete. »Ich habe doch Anweisung erteilt, niemanden durchzustellen«, brummte der Captain, hob ab und lauschte. »Für Sie, Jack.«
Sclafani nahm den Hörer entgegen. »Sclafani am Apparat«, zischte er.
Nachdem er aufgelegt hatte, sah er Brennan an. »Nel MacDermott hat uns vor einer guten Stunde eine Nachricht hinterlassen. Sie hat die Bank gefunden, und zwar in Westchester in der
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