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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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gemacht…, sagte sie sich mit einem versteckten Lächeln.
    Winifred war eine magere Frau, beinahe zerbrechlich. Für gewöhnlich trug sie konservative Kostüme und bis auf kleine Ohrringe und eine Perlenkette keinen Schmuck. Außerdem vergaß man wegen ihrer zurückhaltenden Art häufig, dass sie sich überhaupt im Raum befand. Gleich nach ihrer Ausbildung zur Sekretärin hatte sie bei Robert Walters und Len Arsdale angefangen. Doch in diesen vielen Jahren schien keiner ihrer beiden Arbeitgeber bemerkt zu haben, wie gut sie sich inzwischen in der Baubranche auskannte, und sie hatten es nie zu würdigen gewusst. Adam Cauliff hingegen war es sofort aufgefallen. Er schätzte sie und erkannte ihren wahren Wert. Sein Lieblingsscherz lautete: »Winifred, wenn Sie einmal Ihre Autobiographie schreiben, wird es für einige Leute ziemlich eng werden.«
    Robert Walters hatte das gehört und war sehr wütend und unangenehm geworden. Aber Walters hatte Winifred ohnehin das Leben zur Hölle gemacht und nie ein freundliches Wort für sie gefunden. Dafür soll er jetzt ruhig büßen, hatte Winifred sich gedacht. Der wird noch sein blaues Wunder erleben.
    Was Nel anging, war sie sicher, dass sie einen Mann wie Adam nicht verdient hatte. Adam brauchte weder eine Karrierefrau noch einen berühmten Schwiegervater, der sie so in Beschlag nahm, dass sie kaum noch Zeit für ihre Ehe hatte.
    »Winifred, Nell ist wieder mal bei ihrem Alten, und ich habe keine Lust, alleine zu essen«, sagte Adam manchmal zu ihr.
    »Besorgen wir uns einen Happen.«
    Er hatte wirklich ein Anrecht auf etwas Besseres. Manchmal erzählte ihr Adam von seiner Kindheit auf einer Farm in North Dakota. Damals hatte er sich in der Bibliothek Bücher mit Bildern von schönen Häusern angesehen.
    »Je größer, desto besser, Winifred«, witzelte er. »Wenn in unserer Stadt jemand ein Haus gebaut hat, das mehr als zwei Stockwerke hatte, sind die Leute eigens dreißig Kilometer weit gefahren, um es sich anzuschauen.«
    Hin und wieder verwickelte er sie in eine Unterhaltung, und dann klatschten sie gemeinsam über Leute aus der Baubranche.
    Am nächsten Morgen fragte Winifred sich meist, ob sie nicht zu viel geredet hatte, vielleicht angeregt durch den Wein, den Adam ihr immer wieder einschenkte. Aber eigentlich machte sie sich keine Sorgen. Sie vertraute ihrem Chef – nein, sie vertrauten einander –, und Adam hatte Spaß an den Anekdoten aus den Anfangstagen von Walters und Arsdale.
    »Soll das heißen, dieser selbstgerechte alte Kerl hat bei der Ausschreibung Gelder für sich selbst abgezweigt?«, rief er aus.
    Und als sie wegen ihrer Redseligkeit verlegen wurde, beschwichtigte er sie. Außerdem versprach er ihr, das Gesagte für sich zu behalten. Noch gut erinnerte sie sich an den Abend, als er vorwurfsvoll zu ihr gesagt hatte: »Winifred, mich können sich nicht hinters Licht führen. Es gibt einen Mann in Ihrem Leben.« Und sie hatte das bejaht und ihm sogar den Namen genannt.
    Der livrierte Pförtner legte den Hörer der Gegensprechanlage auf. »Sie können hinaufgehen, Ms. Johnson. Mrs. Cauliff erwartet sie.«
    Adam hatte sie gebeten, auf dem Weg zur Sitzung seinen Aktenkoffer und sein marineblaues Sakko abzuholen. Natürlich hatte er sich vielmals für diese Zumutung entschuldigt. »Ich bin heute Morgen sehr eilig aufgebrochen und habe sie vergessen«, erklärte er. »Die Sachen liegen im Gästezimmer auf dem Bett.
    Meine Notizen für die Sitzung sind in dem Aktenkoffer, und ich brauche mein Sakko, falls ich es mir doch noch anders überlege und mich mit Nell im Four Seasons treffe.« Winifred erkannte an seinem Ton, dass zwischen ihm und Nell etwas Ernstes vorgefallen sein musste. Und diese Erkenntnis bestätigte sie nur in der Vermutung, dass es mit der Ehe der beiden bergab ging.
    Im Aufzug dachte sie an die Sitzung, die heute stattfinden sollte. Sie war froh, dass man die Jacht als Tagungsort gewählt hatte, denn sie war gerne draußen auf dem Wasser. Auch wenn es sich um einen reinen Geschäftstermin handelte, hatte es doch etwas Romantisches an sich.
    Sie würden zu fünft sein. Außer ihr selbst wurden die drei Beteiligten an dem Bauvorhaben Vandermeer Tower erwartet –
    Adam, Sam Krause und Peter Lang. Der Fünfte war Jimmy Ryan, einer von Sams Polieren. Winifred war nicht sicher, warum er eingeladen worden war. Allerdings war Jimmy in letzter Zeit ziemlich launisch gewesen. Vielleicht wollte man ja mit ihm über das Problem sprechen.
    Sie wusste, dass

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