vergissdeinnicht
anders. Ich wollte nicht, dass Nat dachte, ich sei total durchgeknallt. Es war, als hätten sich Sals Worte in mein Gehirn eingebrannt … eine Verrückte, die jämmerlich versucht, Mitgefühl von anderen zu bekommen, indem sie sich ritzt. Jedes dieser Worte schnitt tiefer in mich hinein, als es eine Klinge jemals könnte. Wenn Nat genauso über mich dachte, wüsste ich nicht, was ich tun sollte.
Wir gingen zum vielleicht dritten oder vierten Mal miteinander aus. Bis dahin war Nat der perfekte Gentleman gewesen. Aber ich platzte, weil ich mehr wollte, als ihn nur zu küssen. Ich hatte noch nie zuvor jemanden wie ihn getroffen. Meine Fantasie ging absolut mit mir durch – ich überlegte sogar schon, ob er vielleicht DER MANN sein könnte. Albern. Aber er war rücksichtsvoll und schlau und aufmerksam. Traurigkeit stach mir ins Herz, weil Sal nicht da war, mit der ich über ihn hätte reden können. Aber vielleicht war das auch besser – ich hätte sie vermutlich zu Tode gelangweilt mit »Nat hat gesagt …« und »Nat hat dasunddas gemacht …« und »Oh, er ist doch sooo traumhaft!« Na ja, das Letzte vielleicht nicht. Ich würde niemals wirklich »traumhaft« sagen … aber denken.
Ich traf Nat in dem Pub, in dem er während der Mittagsschicht arbeitete. Normalerweise würde ich nicht mal tot in so einem Laden gesehen werden wollen, aber manchmal muss man eben Kompromisse eingehen. Ich setzte mich an die Bar und quatschte mit ihm, während er arbeitete. Er konnte großartig mit der Kundschaft umgehen, sogar mit dem verrückten alten Mann, der ständig vor sich hinmurmelte. Nat hatte so eine angenehme Art, die jeden, der mit ihm sprach, sofort für ihn einnahm. Er redet wirklich gerne mit jedem . Nicht, dass er eingebildet wäre oder so – das wäre widerlich. Er weiß nur, wie die Leute ticken und was er sagen muss, damit sie sich wohl fühlen. Damals konnte ich ihn mir gut als Arzt vorstellen, wie er zum Beispiel jemandem mitteilen musste, dass ein Angehöriger gestorben war. (Und wieer dann nach Hause kam, um mir davon zu erzählen. Wie schon gesagt: Meine Fantasie ging komplett mit mir durch.)
Ab und zu fing Nat meinen Blick auf und lächelte sein wunderschönes Lächeln. Heute würde der Abend sein. Mum war (mal wieder) übers Wochenende weg, die Luft war also rein. Ich hatte heute Morgen ganz besonders ordentlich meine Beine rasiert, die heißeste Wäsche angezogen (natürlich schwarz) und sogar mein Bett neu bezogen (ungefähr das zweite Mal, dass ich so etwas in meinem Leben getan hatte). Ich war nervös und aufgeregt, was eine schöne Abwechslung war.
Nat hatte um sechs Uhr Feierabend, und wir gingen zu mir nach Hause. Wir machten eine Flasche Rotwein auf und kochten zusammen. Ich schnitt Tomaten, während Nat die Zwiebeln kleinhackte. Er weinte ein bisschen von den Zwiebeln. Ich lachte und küsste ihn auf die Nase. Alles war so wunderbar heimelig und gemütlich. Für einen flüchtigen Moment dachte ich: So muss es sein, wenn man verheiratet ist. Reiß dich zusammen .
Auf dem Tisch standen Kerzen. Das Essen schmeckte großartig. Der Wein war köstlich und warm. Und Nat … na ja, er war heiß heiß heiß. Noch nie hatte ich jemanden mehr begehrt. Ich hörte gerne zu, wenn er über das sprach, was ihn interessierte. Er wurde dann ganz leidenschaftlich, und seine Augen glitzerten und funkelten. Nach dem Essen saßen wir auf dem Sofa. Ich war angenehm angetrunken – gerade angetrunken genug, um nach dem Mädchen zu fragen, für das er sich interessiert hatte.
Nat schüttelte den Kopf. »Ich will wirklich nicht darüber reden, Grace. Ich bin jetzt hier bei dir.« Ich wollte mehr wissen, aber Nat wandte das alte Ablenkungsmanöver an. Er küsste mich mit noch nicht gekanntem Nachdruck. Ich vergaß sofort das mysteriöse Mädchen und ließ mich ganz im Augenblick treiben. Es dauerte nicht lange, da lag Nat auf mir, und ich zog ihn näher an mich. Eins seiner Beine war zwischen meinen, und ich drängte mich dagegen. Ich konnte die Hitze seines Körpers durch seine Jeans spüren. Er fing an, an meinem T-Shirt herumzuzerren, undich musste meine gesamte Willenskraft aufbringen, um halb zu wispern, halb zu stöhnen: »Nicht hier … oben.«
»Okay, ich lass dich vorgehen.« Er grinste anzüglich.
Ich nahm zwei Stufen gleichzeitig, als ich raufrannte. Nat war mir direkt auf den Fersen und klapste mir auf den Hintern. Wir lachten beide wie Idioten. Er packte mich an meiner Zimmertür und drehte mich herum, so
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