vergissdeinnicht
Frauen, die tratschten und sich von ihren Wehwehchen erzählten. Ein zwielichtiger Typ in engen grauen Jeans und einem schwarzen T-Shirt mit dem Namenszug einer Band, von der ich noch nie gehört hatte. Er drückte sich bei den Kondomen herum. Himmel .
Ich wartete, bis die Omis als Einzige noch im Laden waren. Sie hatten sowieso jedes Zipperlein, und taub waren sie auch. Jedenfalls nahm ich an, dass das der Grund war, warum sie sich so laut über Hämorrhoiden unterhielten. Übel .
Ich steuerte auf die Theke zu, und Sophie und ich begrüßten uns vorsichtig.
»Wie geht’s dir, Grace? Ist alles …?«
»Super, danke. Ja ja … das war falscher Alarm, übrigens.«
»Da bist du bestimmt erleichtert.«
»Oh, ja, ein bisschen.« Ich zwang mich zu einem Lachen, aber Sophie lachte nicht mit.
»Hör mal, Soph …« Ich versuchte, mich von ihrem misstrauischen Gesicht nicht irritieren zu lassen. »Ich dachte so … du hättest wohl nicht Lust, irgendwann abends mit mir was trinken zu gehen, oder? Ein bisschen feiern, dass ich noch mal in Sachen Windeln und schlaflose Nächte davongekommen bin?« Zu meiner Überraschung war ich nervös.
»Ähm … ich weiß nicht. Vielleicht.«
»Vorsicht! Ich hab gehört, dass zu viel überschäumende Freude ernsthafte gesundheitliche Folgen haben kann.«
»Na ja, es ist nur ein bisschen komisch, das ist alles. Wir haben seit Gott weiß wann nicht mehr gesprochen, und plötzlich willst du mit mir was trinken gehen.« Sophie kratzte mit ihrem Daumennagel an der Ecke der Theke herum.
»Also wenn du es so ausdrückst, kommt das wohl wirklich ein bisschen komisch rüber. Jedenfalls dachte ich, wir könnten ein bisschen Spaß haben … Aber wenn du nicht willst, ist das okay.«
»Was ist mit deinem Schatten?«
Ich hasste es, wenn die Leute Sal so nannten. Ich weiß auchnicht, warum mich das so nervte. Wenn ich jetzt dran denke, war das eigentlich ganz cool. Sal und ich, eine Einheit. Wie Batman und Robin oder so was. Nur, dass die beiden ein ziemlich ungleiches Gespann waren. Und Robin ist so schwul.
»Ich hab auch noch andere Freunde, weißt du. Sal und ich sind keine siamesischen Zwillinge, ob du’s glaubst oder nicht.« Sehr zu meiner Überraschung fing Sophie an zu lachen. Sophie Underwood lachte über MICH !
»Ja, von mir aus. Ihr seid wie Tweedledum und Tweedledee. Oder vielleicht wie die Olsen-Zwillinge.« Sie hatte jetzt wirklich ein Glitzern in den Augen. So etwas hatte ich bei ihr noch nie zuvor gesehen.
»Hey!«
»Ach, komm schon, Grace. Du weißt, dass ich recht hab!« Sie zögerte, dann sagte sie: »Ich glaube, es wäre ganz nett, wenn wir was zusammen trinken gehen. Heute Abend?« Nat arbeitete an dem Abend, also war es okay. Ich war natürlich keins von diesen armseligen Mädchen, die jede freie Minute mit ihrem Freund verbringen mussten. Sophie und ich verabredeten uns für das Bar Code , eine recht coole Bar in der Stadt – mit einem ernsthaft beschissenen Namen.
Sobald ich zu Hause war, rannte ich in die Küche und schnappte mir die Pinguin-Dose vom obersten Regal. Ich bin jetzt groß genug, um an sie ranzukommen, ohne auf einen Stuhl steigen zu müssen. Wie üblich waren ein paar Zehner in der Dose. Ich nahm drei – die reichten für einen halbwegs ordentlichen Abend.
Ich kann mich nicht mal erinnern, wann ich zum ersten Mal Geld aus der Dose genommen hatte. Mum muss davon gewusst haben, aber sie hat nie was gesagt. Wie ein unausgesprochenes Abkommen: Ich warf ihr nie vor, eine schreckliche Mutter zu sein, und sie warf mir nie vor, eine hinterhältige kleine Diebin zu sein. Ich sah das Ganze als so eine Art Bezahlung dafür, dass ich meine eigene Babysitterin war, und vielleicht sah sie es genauso. Deshalb stockte sie alle paar Wochen auf. Ich habe vorher nie wirklich darüber nachgedacht, aber eigentlich war das ganz anständig von ihr. Sie hätte mich komplett austrocknen können, aber sie tat es nicht.
Mum machte ein frühes Abendessen, das ich kaum runterbrachte. Ich war seltsam nervös. Wir hatten zum ersten Mal seit Ewigkeiten eine halbwegs vernünftige Unterhaltung. Sie fragte mich sogar, was ich an dem Abend vorhatte (als würde sie sich dafür interessieren). Ich wickelte ein paar Spaghetti um meine Gabel und sah zu, wie eins der orangefarbenen Fettkügelchen von der Sauce auf meinem Teller herumschwirrte.
»Ich geh mit Sophie was trinken.« Ich sah gerade noch rechtzeitig auf, um mitzukriegen, wie sie ihre perfekt gezupften Augenbrauen
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