Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
Vom Netzwerk:
remember the fifth of November …
    Am fünften November bin ich vielleicht schon tot.
    * * *
    Ich hab den ganzen Nachmittag geschlafen, glaube ich. Fühle mich jetzt wahnsinnig viel besser. Gar nicht mehr wie eine Verrückte. Also, nicht mehr wie eine wirklich Verrückte – nur ein bisschen exzentrisch vielleicht. Es bedeutet überhaupt gar nichts, dass ich Ethan in meinem Kopf »gehört« habe. Ich hab mich schon so an seine dämlichen kryptischen Antworten gewöhnt, dass ich sie mir genauso gut selbst geben kann. Es ist ungefähr wie mit mir und Sal, wenn wir genau dieselben Sachen zur exakt gleichen Zeit gesagt und dann »Bingo!« gerufen haben. Wenn man viel Zeit mit einer Person verbringt, fängt man an, ein bisschen wie sie zu denken, oder? Ethan ist so vorhersehbar für mich geworden, dass ich weiß, was er sagen wird. Ich muss eigentlich gar nicht mehr mit ihm reden. Ich werde die Gespräche einfach in meinem Kopf führen. Sie werden ungefähr so laufen:
    Ich: Woher hast du gewusst, dass ich auf dich losgehen würde?
    Ethan-in-meinem-Kopf: Was denkst du, woher ich das wusste, Grace?
    Ich: Fick dich und fall tot um.
    Jep, so einfach ist das. Ich kenne Ethan. Und er kennt mich. Wir sind miteinander verbunden. Wir sind eins.

Tag 25
    Am Morgen nach dem großen Sal/Nat-Treffen wäre ich am liebsten gestorben. Keine große Überraschung. Mein Kopf pochte, und wenn ich mir über die Lippen leckte, fühlte sich meine Zunge an, als wäre sie doppelt so groß und die Feuchtigkeit wäre aus ihr herausgezogen worden. Wie ein Seestern lag ich ausgestreckt auf dem Bett, vollständig bekleidet, verschmiertes Make-up. Insgesamt nicht der schönste Anblick – gut, dass Nat nicht mitgekommen war.
    Vorsichtig stand ich auf und prüfte, ob die Bewegungen dazu führen würden, dass ich gleich wieder kotzen musste. Zum Glück musste ich nicht, also steuerte ich das Badezimmer an. Der Geruch von gebratenem Bacon zog die Treppe rauf. Essensgerüche können ja zweierlei bedeuten, wenn man einen Monsterkater hat. Entweder ist es genau das, was man braucht, ODER man hat den Kopf schneller wieder im Klo, als man schauen kann. An diesem Morgen schien ein Baconsandwich exakt das Richtige. Aber ich war total baff von der Bedeutung des herrlichen Bacongeruchs: Es hieß nämlich, dass Mum Frühstück machte. Bei normalen Leuten wahrscheinlich keine so außergewöhnliche Sache, aber bei meiner Mum? Sie hatte schon seit Jahren kein Frühstück mehr gemacht. Warum jetzt?
    Und dann fiel es mir ein – meine Prüfungsergebnisse. Scheiße! Hatte ich ihr letzte Nacht eine SMS geschrieben? In meinem Kopf war alles ein bisschen neblig. Ich rannte wieder in mein Zimmer und kramte mich durch meine Tasche, um mein Handy zu finden. Vier unbeantwortete Anrufe, alle von Mum. Ich checkte meine gesendeten Nachrichten und seufzte erleichtert auf, als ich sah, dass ich ihr wirklich eine SMS geschrieben hatte: »Alles Einsen und Eins Minus – war ganz leicht. Komme spät. G«
    Vielleicht nicht die netteste Nachricht der Welt, aber sie erfüllte ihren Zweck. Die verpassten Anrufe waren jede halbe Stunde nach meiner SMS gekommen. Hmmm. Nicht gut.
    Keine Zeit für eine Dusche, also wusch ich mir nur schnell das Gesicht und putzte die Zähne. Als ich mich runterschleppte, versuchte ich, mir die beste Strategie zurechtzulegen. Es hing alles von ihr ab. Ich musste wohl improvisieren.
    Ich zögerte vor der Küchentür. Und da war sie auch schon, vor dem Herd, den Pfannenwender in der Hand. Mit einer Schürze! Sie sah aus wie die absurde Parodie einer Göttin für Heim und Herd. Nichts an dem Bild stimmte, und ich verstand auch warum – sie lächelte irgendwie. Es war nur der Anflug eines Lächelns, als sie den Bacon (so kross, wie er nur sein kann, genau, wie ich ihn mag) auf einen Teller schippte.
    Ich stand in der Tür und begutachtete leise diese Szenerie des Merkwürdigen. Mum drehte sich zu mir, und das Halbwegs-Lächeln blieb an seinem Platz. »Grace! Endlich bist du auf. Gerade rechtzeitig fürs Frühstück. Hier, setz dich, und ich hol dir Orangensaft.« Ich tat, was sie mir sagte. Wer war diese Frau, und was hatte sie mit meiner Mutter gemacht? Wer auch immer sie war, sie goss mir ein Glas Orangensaft ein (frisch gepresst!) und machte dann Sandwiches. Ich sagte nichts, weil ich Angst hatte, den Bann welcher Voodoomagie auch immer zu brechen.
    Und dann saßen wir uns am Tisch gegenüber und aßen still die Sandwiches. Mein Sandwich war perfekt.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher