vergissdeinnicht
setzte sich auf und machte die Nachttischlampe an. Ich legte schützend die Hand über meine Augen und brachte mich in Sitzposition. Dann sah ich Nat an. Sein Blick war schwer zu deuten.
»Wa- wann war das?«
Mir war schlecht, weil ich meiner besten Freundin auf der Welt das antat. Ich missbrauchte ihr Vertrauen, nur um mich aus einer etwas heiklen Lage zu bringen. Aber es gab kein Zurück mehr. »Ich weiß es gar nicht mal. Sie will mir einfach nicht sagen, was passiert ist.«
» Im Ernst ? Du musst doch was wissen. Warum zur Hölle will sie dir nichts sagen?«
»Nat, ich weiß es nicht. Sie lässt mich da komplett außen vor. Ich weiß nur, dass es so um Ostern rum passiert sein muss. Sie … ähm … hat vor ein paar Monaten abgetrieben. Ich wäre mit ihr zusammen hingegangen, aber wir haben uns zerstritten und …« Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte, ohne ganz erbärmlich zu klingen.
Jetzt sah Nat aus, als wäre ihm schlecht. »Himmel. Ich hätte nie gedacht, dass es so was ist. Wie … geht es ihr? Jetzt, meine ich. Es muss fürchterlich für sie gewesen sein.«
Ich war ganz gerührt von seiner Fürsorge. »Es geht ihr okay, glaube ich. Es wird noch eine Weile dauern, bis sie drüber weg ist, nehme ich an. Aber es geht ihr wohl besser.«
»Und du weißt wirklich nicht, was passiert ist? Mit wem sie … geschlafen hat?«
»Nein! Ich hab’s dir doch gesagt ! Warum glaubst du mir nicht?« Ich hasste es, wenn ich etwas zweimal gefragt wurde. Es machte mich verrückt.
»Ich bin wohl nur … überrascht. So was würden sich beste Freundinnen doch erzählen, das ist alles.«
Er hatte recht, und das machte mich wütend. Wütender, als ich hätte sein sollen. »Hör zu! Kannst du einfach mal aufhören, davon zu reden? Sie hat mir nichts gesagt. Ich hab keine beschissene Ahnung, was los war, und ich werde es wahrscheinlich nie erfahren, also … lass es.« Ich drehte mich weg, weil ich nicht wollte, dass Nat die Tränen sah, die meinen Blick verschleierten. Ich fühlte seine Hand auf meiner Schulter, aber ich schüttelte sie ab.
»Grace, es tut mir leid. Ich wünschte nur, du hättest mir schon früher was davon gesagt.«
Ich sprang aus dem Bett und wirbelte herum, um ihn anzusehen. » WARUM ? Was hätte das geändert? Warum kannst du nicht einfach damit aufhören? Es geht dich auch überhaupt nichts an!« Ich gab mir keine Mühe mehr, die Tränen zu verstecken. Und ich strich sie gar nicht erst weg, als ich über Nat gebeugt dastand und schwer atmete. Er sah mich erstaunt an. Er hatte noch nie einen meiner Ausbrüche miterlebt.
Nach einer Weile sagte er ruhig und bestimmt: »Es geht mich nichts an? So denkst du darüber?«
»Ja! Ich hätte es dir gar nicht erst erzählen sollen!«
»Warum hast du es dann?«
Jetzt hatte er mich. »Hör zu, Nat. Kannst du bitte … einfach gehen? Ich ertrage das nicht länger.« Meine eigenen Worte überraschten mich, aber irgendwie wusste ich, wenn wir diese Unterhaltung weiterführten, würde es wirklich schlimm enden.
»Wenn du das willst.« Ich hatte eher erwartet, dass er versuchen würde, mich umzustimmen. Oder dass er wenigstens sauer wäre, weil ich ihn mitten in der Nacht rauswarf. Aber es schien ihn gar nicht zu kümmern.
Ich nickte und sah zu, wie er sich anzog. Ich wollte mich entschuldigen, ihm sagen, er solle aufhören, hier bei mir bleiben. Aber ich brachte die Worte nicht über die Lippen.
Nat sah mich an, als er an der Tür stand. Wir warfen uns nureinen ganz kurzen Blick zu. Es war unsere letzte Chance, etwas zu sagen, irgendwas, aber keiner von uns ergriff sie. Sein Gesicht war eine emotionslose Maske. Über meins liefen immer noch Tränen. Und dann war er weg.
Ich wartete, bis ich die Haustür zuschlagen hörte. Dann warf ich mich aufs Bett und weinte so schrecklich, dass ich dachte, ich könnte nie mehr damit aufhören. Ich war wütend und traurig und durcheinander. Ich hatte einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich wusste ganz genau, dass ich meinen Frust und Ärger auf Sal, weil sie mir nicht vertraute, an Nat ausgelassen hatte. Und das nur, weil er sich besorgt nach ihr erkundigt hatte. Nur, weil er mich liebte.
Aber warum hatte er so viele Fragen gestellt? Immer und immer wieder hatte er gefragt, was ich wusste und nicht wusste und warum ich ihm nichts gesagt hatte. Ich hatte darauf keine Antworten.
Ich schlief in dieser Nacht nicht mehr. Stattdessen nahm ich das Messer aus meiner Schublade und öffnete langsam und vorsichtig die
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