Vergissmichnicht
nicht hast. Und umgekehrt.«
»Da hast du recht«, sagte Ole, froh, eine Möglichkeit gefunden zu haben, sein Wissen mit ihr teilen zu können, ohne ein allzu schlechtes Gewissen haben zu müssen. »Machen wir einen Deal? Wir arbeiten uns gegenseitig zu und behandeln die Informationen des jeweils anderen streng vertraulich?«
»Abgemacht«, sagte Alexandra und schob die Gabel mit den aufgerollten Spaghetti endlich in den Mund. »Und jetzt spann mich nicht so auf die Folter. Sag mir endlich, was du weißt.«
»Carlo Bader war Gastmusiker. Er kam aus Villingen-Schwenningen und hatte im Sommer 1980 ein Engagement hier in Überlingen. Damals gab es hier wohl sogenannte Kurkonzerte. Schon mal gehört?«
Alexandra zuckte die Achseln. »Nein. Aber was mich wundert: Wenn er Gastmusiker war, wieso haben meine Kollegen das damals nicht recherchiert und darüber geschrieben? Das hätten sie locker herausbekommen.«
»Er war noch nicht aufgetreten und damit stand er noch nicht in der Öffentlichkeit. Er war nur deshalb schon hier, um zusammen mit seinen Kollegen zu proben. Dem Ensemble gehörten wohl Musiker aus ganz Deutschland an, die einander zuvor noch nie gesehen hatten. Daher waren die Probenwochen vor den Konzerten ungemein wichtig.«
»Hm.« Alexandra stützte das Kinn auf ihre ineinander verschränkten Hände und sah Ole abwartend an. »Was weißt du noch über Carlo Bader?«
»Er war frisch verlobt. Am Ende des Sommers wollte er heiraten.«
»Das ist ja entsetzlich!«, rief Alexandra. »Was ist aus seiner Verlobten geworden?«
Ole zuckte die Achseln. »Laut Ermittlungsakte wurde sie vernommen. Sie muss ziemlich außer sich gewesen sein. Sie war schwanger von ihm und hat ihr Baby dann verloren. Das hat sie wohl doppelt mitgenommen. Mehr weiß ich nicht, ich werde dem aber nachgehen.«
»Und warum musste Carlo denn nun sterben?«
»Wenn ich das wüsste, wäre ich schon viel weiter«, sagte Ole, biss in seine Pizza und nahm einen großen Schluck von seinem kühlen Bier. »Es gab eine Zeugin, die ganz in der Nähe wohnte. Sie will zur fraglichen Zeit eine Frauenstimme und zwei Männerstimmen gehört haben. Die Frau hat wohl sehr verzweifelt geschrien, die Männer haben regelrecht gebrüllt. Dann war eine Zeit lang Stille und dann hat sie wieder die Frau schreien hören.«
Atemlos beugte Alexandra sich vor. »Wie heißt die Zeugin?«
»Andrea Matzner. Sie ist aber mittlerweile verstorben.«
Alexandra blickte ihn fragend an.
»Eines natürlichen Todes«, beeilte Ole sich hinzuzufügen.
»Eine Frau und zwei Männer – klingt nach einer Eifersuchtstat«, sagte Alexandra spontan und fragte sich, wie Ralf wohl reagieren würde, wenn er sie hier mit Ole in der Sonne sitzen sehen würde. Er kannte Ole nicht und würde in ihm nicht den Polizisten vermuten, zumal er keine Uniform, sondern Jeans und ein Kapuzenshirt trug. Was zu seinen blonden Wuschelhaaren sehr sexy aussah, wie Alexandra fand.
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Ole. »Aber da ist noch etwas, was äußerst merkwürdig ist.«
Er nahm abermals einen großen Bissen von seiner Pizza und kaute genüsslich.
Alexandra sah ihn abwartend an.
»Als wir der Enkelin der verstorbenen Frau Meierle die Todesnachricht überbrachten, sagte sie, sie sei ihre Tochter und nicht ihre Enkelin.«
»Meinst du die Tochter in Villingen-Schwenningen mit den zwei Kindern? So eine Blonde, mit langen Locken?«
»Woher weißt du das?«
»Vor ihrem Tod hat Frau Meierle mir ein Foto gezeigt und mir gesagt, es sei ihre Tochter. Da sind auch ihr Mann und ihre Kinder drauf zu sehen.«
Ole nickte. »Ich kenne das Foto. Es stand auf dem Flügel, richtig? Wir haben es im Zuge der Ermittlungen sichergestellt. Aber, Alexandra – ich fürchte, da hat die liebe Frau Meierle sowohl dich als auch ihre sogenannte Tochter angelogen. Ihre wirkliche Tochter heißt Christin Marlene Didier und lebt in Frankreich. Und wie mir die Kollegen mitteilten, ist sie spurlos verschwunden.«
Siebzehntes Kapitel
Überlingen
»Guten Tag, mein Name ist Beate Gruber. Ich möchte zu Herrn Strobehn«, meldete sich Grubers Gattin artig bei der Polizeidienststelle.
»Einen Moment.« Der Beamte hinter der Glasscheibe telefonierte kurz und nickte ihr dann zu. »Ich bringe Sie zu ihm.«
Die schwere, weiß lackierte Türe neben der Glasscheibe summte und schnappte auf. Der Beamte brachte sie in den ersten Stock, wo Ole Strobehn ihr bereits entgegenkam. »Frau Gruber. Schön, dass Sie es möglich
Weitere Kostenlose Bücher