Vergissmichnicht
und habe gehört, dass sie eine Maria Theresa von Überlingen ist und ich auf ihre Unterstützung hoffe. Und während sie ihre Geldbörse holte, habe ich die Wanze unter dem albernen Tischchen mit dem Spitzendeckchen deponiert. Ganz einfach. Und dann habe ich über die Wanze mitbekommen, wie diese Journalistin, diese Ziege, kam und komische Fragen gestellt hat. Die werde ich wohl auch noch erledigen müssen.«
Ole krampfte sich das Herz zusammen. Nur nicht Alexandra. Bitte nicht. Aber er konnte sie nur retten, wenn er hier irgendwie rauskam. Also musste er weiter auf Zeit spielen.
»Und dann haben Sie gehört, wie sich Frau Meierle mit der Journalistin am Telefon verabredete?«
»Ja. Und das war dann einfach zu viel des Guten. Erst meinen Mann anrufen und bedrohen und dann auch noch einer Journalistin alles erzählen wollen. Sie musste sterben, das verstehen Sie doch?«
Ole schwieg.
»Das verstehen Sie doch?«, wiederholte Beate Gruber hysterisch und ihre Stimme überschlug sich.
»Wieso sind Sie ausgerechnet mit dem Boot gefahren?«, wollte Ole wissen. »Und warum waren Sie zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt in Konstanz? Sie hätten doch in der Schweiz sein sollen?«
»Sie halten mich wohl für dumm«, keifte Marlene. »Ich hatte das Abhörgerät natürlich immer dabei. Die anderen Weiber, die haben das nicht mal gemerkt, dass ich den Knopf ständig im Ohr hatte.« Sie strich sich eine ihrer mausgrauen Strähnen hinter das Ohr. »Ich habe ihn immer hinter meinen Haaren versteckt.«
»Und dann?«, fragte Ole, dem es längst nicht mehr nur darum ging, Beate Gruber zum Reden zu bringen um den Moment, in dem sie abdrücken würde, hinauszuzögern. Nein, er wollte unbedingt die noch offenen, nagenden Fragen klären und war jetzt wirklich gespannt.
»Dann kam diese Journalistin, diese blöde Kuh. Und hat nach Carlo gefragt.«
»Und dann sind Sie gleich losgefahren?«, fragte Ole und drückte Marlene, die flach und schnell atmend neben ihm saß, an sich. Schließlich ging es hier um ihre Mutter, die Mutter, die sie nun zum zweiten Male auf ganz entsetzliche Weise verloren hatte.
»Ich wäre nicht gefahren«, sagte Beate. »Denn die liebe, gute Frau Meierle hat ja zu der Journalistin gesagt, dass sie den Namen noch nie gehört hat. Aber dann, als die Journalistin weg war, hat die blöde Meierle meinen Mann angerufen und ihn bedroht.«
»Was hat sie denn gesagt?«, krächzte Marlene, außer sich bei der Vorstellung, dass ihre Mutter ihren Exfreund, den Mann, der sie so grausam vergewaltigt hatte, anrief, um Rache zu üben. Rache im Namen ihrer Tochter. Eine Rache, für die sie sterben musste.
»Sie hat nur gesagt: ›Carlo Bader‹. Mehr musste sie ja auch nicht sagen«, fügte Beate mit ihrer seltsam leblosen, tonlosen Stimme hinzu. »Und da war mir klar, dass ich handeln musste.«
»Und dann sind Sie einfach losgefahren?«, fragte Ole.
»Ja«, sagte Beate. »Zum Glück. Denn wenn die Olle nicht angerufen hätte, dann wäre ich wirklich zu spät gekommen, als sie die Journalistin treffen wollte.«
»Und Sie konnten sich bei Ihrer Frauengruppe einfach so davonstehlen?«, wollte Ole wissen. »Bei unserer ersten Vernehmung hörte es sich so an, als seien Ihre Freundinnen gar nicht begeistert, wenn jemand aus der Reihe tanzt.«
»Ich habe Kopfschmerzen vorgetäuscht und gesagt, dass ich mich hinlegen werde«, antwortete Beate. »Diese Ausrede habe ich auch gebraucht, als ich nach Frankreich fuhr, um die liebe Christin zu entführen. Zum Glück habe ich oft Migräne und meine Freundinnen wissen, dass ich dann auf keinen Fall gestört werden will. Naja. Und dann bin ich gefahren wie eine Verrückte. Direkt zum Hafen. Dort habe ich unser Boot genommen.«
»Warum sind Sie nicht mit dem Auto gekommen?«
»Ja, waren Sie denn schon mal bei der Alten?«, fauchte Beate. »Wissen Sie, wie hermetisch ihr Palästchen zur Straße hin abgeriegelt ist? Da wäre ich nicht reingekommen.«
»Sie wollten meine Mutter also zu Hause …«, Marlene brachte die Worte kaum über die Lippen.
»Gut erkannt, Schätzchen«, sagte Beate. »Das hätte sich ganz hervorragend geeignet, zumal ich am Nachbarsteg ganz wunderbar hätte anlegen können. Das Haus ist schließlich unbewohnt.«
»Ja, aber man hat doch von allen Nachbargrundstücken aus Blick auf den See. Da war die Fahrt mit dem Boot doch viel zu gefährlich«, wandte Ole verständnislos ein.
»Daran«, stellte Beate Gruber kaltblütig fest, »daran habe ich tatsächlich nicht
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