Vergissmichnicht
entführt und im Keller dieses Hauses gefangen gehalten.«
Alexandra brach vor Erleichterung in Tränen aus und auch Didiers Augen wurden feucht.
»Kann ich sie sehen?«, fragte er rau.
»Haben Sie noch einen kleinen Moment Geduld«, bat Monja Grundel. »Ihre Frau und Herr Strobehn sind noch im Haus und wenn sie herauskommen, müssen sie erst noch von den Sanitätern untersucht werden. Danach können Sie gleich zu ihnen.«
In diesem Moment öffnete sich die Haustüre und Ole kam in Begleitung eines Rettungssanitäters aus dem Haus. Er sah mitgenommen aus, war aber unverletzt. Allerdings bewegte er sich etwas steif, Beate Gruber hatte ihn die Kellertreppe hinuntergeschleift, nachdem sie ihn mit dem Cappuccino betäubt hatte. Seltsamerweise hatte er die Schmerzen in seinem Körper während seiner Gefangenschaft gar nicht richtig wahrgenommen.
»Ole!« Alexandra flog ihm entgegen.
Ole breitete seine Arme aus, zog sie an sich und küsste sie. Es war ihm völlig gleichgültig, dass er zahlreiche Zuschauer hatte.
»Ich habe mir solche Sorgen gemacht«, sagten Ole und Alexandra gleichzeitig, sahen sich dann an und lachten.
»Warum hast du dir denn Sorgen gemacht?«, fragte Alexandra. » Ich war doch nicht verschwunden.«
»Eben doch«, widersprach Ole. »Ich wusste, dass etwas nicht stimmen kann, nachdem ich so lange im Keller saß. Mir war klar, dass du recht schnell misstrauisch werden und meine Kollegen informieren würdest.« Er strich ihr über das Haar und bemerkte die blutige Beule an ihrem Hinterkopf. Sie zuckte zusammen, als er die Wunde berührte. »Alexandra«, flüsterte Ole erschrocken. »Hatte ich also recht? Was ist passiert?«
»Das ist der Grund, warum ich nicht schon viel früher deine Kollegen informieren konnte«, erklärte sie leise.
»Ralf?«, fragte er.
Alexandra nickte überrascht. »Woher weißt du?«
»Dieser … dieser … dieser … Korinthenkacker. Ich werde ihm jeden Knochen einzeln brechen!«, stieß Ole wütend hervor.
»Ole, nicht«, bat Alexandra und strich ihm sanft über die Wange. »Es war alles halb so schlimm und jetzt ist alles gut, alles andere ist unwichtig.«
»Halb so schlimm?«, knurrte Ole. »Das hier sieht aber anders aus.«
»Jetzt sag mir lieber, woher du wusstest, dass es Ralf war«, fragte Alexandra und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
»Ich weiß es gar nicht so genau. Ich hatte so eine Ahnung. Es war ganz merkwürdig. Marlene hat mir in unserem Gefängnis schreckliche Sachen aus ihrer Vergangenheit erzählt. Sie war mit Gruber zusammen, weißt du? Und manches, was sie mir erzählt hat, hat mich an die Sachen erinnert, die du mir von Ralf berichtet hast. Es gab so merkwürdige Parallelen zwischen den beiden Geschichten. Auch wenn sich Ralf dir gegenüber lange nicht so schäbig verhalten hat wie Gruber gegenüber Marlene Didier.«
»Was für Parallelen?«, fragte Alexandra verblüfft.
»Das erzähle ich dir später«, sagte Ole, nahm ihr Gesicht in beide Hände und gab ihr einen Kuss. »Jetzt will ich erst mal, dass die Rettungssanitäter sich deinen Kopf anschauen. Mit Kopfverletzungen ist nicht zu spaßen und so, wie mir das hier aussieht …« Ole betrachtete stirnrunzelnd die Wunde auf Alexandras Kopf, auf die er dank seiner Größe eine ungetrübte Sicht hatte. »… so, wie es den Anschein hat, wurde die Wunde nicht unbedingt sachgerecht verarztet.«
»Moment mal«, protestierte Alexandra lachend. »Die Sanitäter sind wegen dir hier, nicht wegen mir.« Sie drehte sich schuldbewusst nach Monja Grundel um. »Eigentlich hätte ich auch gar nicht zu dir dürfen, bevor die Sanitäter dich angeschaut haben.«
Ole lachte, sah Alexandra in die Augen und sein Blick hatte die gleiche Wirkung auf sie wie eh und je. Er fuhr durch sie hindurch wie ein Blitz, breitete sich aus und brachte Leben bis in die letzte Zelle ihres Körpers. »Du glaubst doch nicht, dass ich einen Sanitäter an mich herangelassen hätte, bevor ich dich geküsst habe?«, fragte er. »Und ich lasse mich definitiv nur untersuchen, wenn du dich auch anschauen lässt.«
»Also gut, du hast gewonnen«, lenkte Alexandra ein.
Arm in Arm schlenderte das Paar zu den Sanitätern, die neben ihrem Einsatzwagen etwas abseits in der Einfahrt standen.
Ole hatte sich einige schwere Prellungen zugezogen, Rippen waren trotz des unangenehmen Schleifens über die Kellertreppe nicht gebrochen. »Sie hat Sie ziemlich sicher unter den Armen gepackt und so in den Keller gezogen«, vermutete der Notarzt.
Weitere Kostenlose Bücher