Vergissmichnicht
gedacht. Ich war wohl viel zu nervös.«
Ole schwieg. Es kam oft vor, dass Verbrecher in ihrer Nervosität und Hast Fehler begingen. Und diese Fehler waren dann oft der Anknüpfungspunkt für die Ermittlungen.
»Und dann haben Sie mitten auf dem See gehört, dass Frau Meierle Frau Tuleit anrief?«
»Ja«, sagte Beate. »Sie haben es erfasst.«
»Aber wie konnten Sie denn unbemerkt so nah an meine Mutter herankommen, dass Sie … dass Sie ihr …« Marlene konnte nicht weitersprechen. Schluchzer drangen aus ihrer Kehle. Ole drückte sie abermals fest an sich und streichelte beruhigend ihren Oberarm.
»Das Glück war mir hold. Ich war schon ganz in der Nähe, als dein geliebtes Mamalein die Journalistin anrief«, triumphierte Beate. »Ich hatte genügend Zeit, die Stelle zu suchen, das Boot etwas abseits zu vertäuen und auf deine Mutter zu warten. In den Hecken hinter der Bank habe ich mich versteckt. Es ging ganz einfach.«
Marlene schluchzte auf und versteckte ihr Gesicht an Oles Brust.
»Und dann haben Sie noch etwas Parfüm versprüht?«
»Ich hatte das Zeug zufälligerweise in der Tasche«, sagte Beate. »Ich habe es mir gekauft, weil ich gemerkt habe, wie scharf dieser Putzfrauenduft meinen lieben Wolfgang gemacht hat.« Wieder dieses freudlose, hohle Lachen. »Ich wollte ihn überraschen. Und als ich es dann in meiner Handtasche fand, dachte ich mir, es könne nicht schaden, eine Duftnote zu hinterlassen. Denn da ist mir das auch eingefallen, lieber blonder Kommissar, dass jemand das Boot erkannt haben könnte. Ich musste eine falsche Spur legen.«
Sie schwieg eine Weile. »Das Parfüm konnte ich danach natürlich nicht mehr benutzen. Schade eigentlich. Aber an mir würde es wahrscheinlich sowieso nicht gut riechen. Ich habe es dann zusammen mit dem Messer in den See geworfen, auf dem Rückweg.«
»Wo hatten Sie das Messer her?«, forschte Ole.
»Das habe ich mir schon vor einer Weile besorgt, als die Ziege mit ihren blöden Briefen anfing.«
»Polizei! Lassen Sie die Waffe fallen!«, ertönte in diesem Moment eine dunkle, männliche Stimme hinter Beate.
»Legen Sie sich flach auf den Boden«, zischte Ole Marlene zu.
Beates grellrot gefärbte Lippen öffneten sich verwundert, die Augen hinter den Brillengläsern wurden noch größer.
»Waffe runter«, wiederholte die Stimme. »Oder ich schieße. Das Haus ist umstellt, Sie haben keine Chance.«
Beate ließ die Waffe sinken. Mit einem Satz war Ole bei ihr und schlug sie ihr aus den Händen, die immer noch in der Luke steckten.
»Sind Sie da drin, Kollege Strobehn?«, rief die Stimme von draußen.
»Ja«, rief Ole zurück. »Alles gut.«
»Wir sind gleich bei Ihnen. Rettungssanitäter sind bereits unterwegs«, erklärte die Stimme.
»Hier ist noch eine zweite Person«, rief Ole. »Marlene Didier. Die Tochter der Ermordeten.«
Hinter ihm begann Marlene haltlos zu schluchzen. »Wir haben überlebt. Wir haben wirklich überlebt«, stammelte sie.
Ole drehte sich um und sah zum ersten Mal aufmerksam die Frau an, neben der er zwei Tage lang im dunklen Keller gesessen hatte, wo sie ihm von den entsetzlichen Ereignissen in ihrer Jugend erzählt hatte. Marlene Didier stand weinend mitten im Raum. Sie trug ein stark verdrecktes Chanel-Kostüm und daran, wie es an ihrem Körper schlackerte, sah er, wie stark sie in dieser einen Woche ihrer Gefangenschaft abgenommen haben musste. Ihr Gesicht war grau. Der Kellerdreck war mit dem Make-up eine klebrige Symbiose eingegangen. Die blonden, mittellangen Haare waren zerzaust und in den tiefblauen Augen, mit denen sie ihn jetzt ansah, schwammen Tränen. Ole ahnte, wie schön sie einmal gewesen sein musste. »Wir haben es wirklich überlebt«, schluchzte sie wieder. Und Ole ging zu ihr und schloss sie in seine Arme, während er darauf wartete, dass seine Kollegen sie aus diesem Kellerloch befreiten.
Als Alexandra und Charles vor dem Haus der Grubers ankamen, sahen sie gerade noch, wie Beate Gruber in Handschellen aus dem Haus geführt und in einen Polizeiwagen gesetzt wurde, der gleich darauf davonfuhr. Monja Grundel stand hinter der Polizeiabsperrung und unterhielt sich mit einem ihrer Konstanzer Kollegen. Sie blickte auf, als sie die Blicke von Charles und Alexandra auf sich spürte, und winkte die beiden mit einem knappen Lächeln durch die Absperrung zu sich heran. »Ole geht es gut«, sagte sie zu Alexandra. Und dann, an Charles Didier gewandt: »Und Ihrer Frau geht es auch gut. Sie wurde von Frau Gruber
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