Vergissmichnicht
meinem deckt.«
»Danke«, sagte Ole leise. »Danke, dass Sie das für mich tun. Aber ich würde mich wirklich wohler fühlen, wenn ich die Karten offen auf den Tisch legen würde.«
»Ehrlichkeit ist gut, Herr Strobehn, aber wenn sie dazu führt, dass viele Menschen darunter leiden, dann darf sie meiner Meinung nach neu definiert werden. Wenn Sie in diesem Fall gar zu ehrlich sind, hat keiner etwas davon, außer im Nachhinein eine Menge Ärger. Ich möchte Sie nicht verlieren und ich glaube, dass auch Alexandra davon nicht begeistert wäre. Sie hat eine Menge durchgemacht. Lassen Sie sie nicht im Stich«, sagte Monja Grundel eindringlich und fuhr dann fort: »Manchmal ist viel eher ein Held, wer über seinen Schatten springen und auch mal vom geraden Weg abweichen kann.«
»Also gut, überredet«, gab Ole nach. »Danke, Frau Kollegin.« Er grinste breit und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Und wo wir schon beim Helden sind: Der Mord an Carlo Bader wäre auch geklärt. Es war Wolfgang Gruber. Frau Didier und Frau Gruber waren seinerzeit Augenzeuginnen.«
Monja Grundel gab ein überraschtes Ächzen von sich. »Wie …«
»Genaueres erkläre ich Ihnen später. Es ist 18.13 Uhr, vor einer knappen viertel Stunde haben die Wahllokale geschlossen. Und wenn die Prognosen stimmen, dann ist Gruber der Sieger. Was hieße, dass ein Mörder gerade im Begriff ist, den Thron von Konstanz zu besteigen.«
»Na, das werde ich aber zu verhindern wissen«, schnaubte Monja Grundel. »Was für ein Pech für den lieben Gruber, dass Mord nicht verjährt. Kommen Sie, werter Kollege. Es wäre mir eine Freude, wenn Sie die Verhaftung vornehmen würden.«
Ole ging zu Alexandra, die bei den Rettungssanitätern saß. »Wir treffen uns im Krankenhaus, Schatz«, sagte er und gab ihr einen Kuss. Er verriet ihr bewusst nicht, wo er hinging. Wenn er auf Dauer mit einer Journalistin zusammen sein wollte, dann musste er lernen, Privates und Berufliches zu trennen, und damit würde er gleich jetzt anfangen. Noch einmal würde er sich nicht so unprofessionell verhalten.
Dann nickte er Monja Grundel zu. »Gehen wir, Frau Kollegin.«
Charles kniete auf dem harten Boden vor dem Gruberschen Haus und hielt seine schluchzende Frau in den Armen. Die Kieselsteine pieksten in seine Knie, Marlenes Geruch drang stechend in seine Nase, aber das war ihm egal. Er hatte seine Marlene, seine geliebte Marlene, wieder. Im doppelten Sinne. Nicht nur, dass sie aus der Gefangenschaft wieder aufgetaucht war, nein, zum ersten Mal seit Jahren lag sie wieder in seinen Armen, öffnete sich ihm, zeigte ihm, dass sie ihn liebte und brauchte. Charles hatte das Gefühl, als seien sie 30 Jahre jünger und säßen wieder am Strand von Deauville, dort, wo alles begonnen hatte. Dort, wo er sie zum ersten und bis heute einzigen Mal weinen gesehen hatte.
»Verzeih mir, Charles, bitte verzeih mir«, flüsterte sie.
»Aber Liebes, es gibt nichts, was ich dir verzeihen müsste«, sagte Charles und spürte, wie ihm selbst die Tränen in die Augen traten. Er strich ihr liebevoll über das wirre Haar.
»Doch«, wisperte Marlene. »Du warst so gut zu mir und wolltest mir helfen. Und ich habe dich einfach von mir gestoßen. So wie ich alle von mir gestoßen habe, die mir helfen wollten. Auch meine Mutter und sie ist nun tot. Ich kann ihr nicht mehr sagen, wie sehr ich sie liebe und immer geliebt habe.«
»Schhhh«, machte Charles. »Das hat sie gewusst.«
»Das kann sie nicht gewusst haben. Wie oft hat sie versucht, mit mir in Kontakt zu treten, und wie oft habe ich sie zurückgestoßen.«
»Aber in der Zeit, nachdem es geschehen ist, hast du ihr deine Liebe doch gezeigt. Du warst doch noch eine ganze Weile lang bei ihr.«
»Nein«, schluchzte Marlene. »Nein, ich habe es ihr nicht gezeigt. Ich habe mich die ganze Zeit über nur selbst bemitleidet. Die Schule habe ich geschmissen, ich bin nicht mehr aus dem Haus gegangen. Ich habe entweder im Haus oder auf der Terrasse im Garten gesessen und Trübsal geblasen. Und ich war furchtbar garstig und zickig. Und dann, als die Kleine auf der Welt war, habe ich sie ihr einfach in die Arme gelegt, ihr gesagt, sie solle sich um sie kümmern und ihr sagen, sie sei ihre Mama. Dann bin ich gegangen und nie wiedergekehrt.« Marlene vergrub ihr Gesicht an der Schulter ihres Mannes. »Und nun ist sie tot. Wäre ich damals nicht abgehauen, sondern hätte ihn angezeigt, dann hätte sie nicht sterben müssen.«
»Du bist schuld an gar
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