Verhängnisvolle Verlockung - Jordan, N: Verhängnisvolle Verlockung - To romance a charming rogue / Courtship-Wars 4
beißend. »Meines Bruders abscheuliches Schicksal ist ein sehr unangemessenes Thema für einen Ball.« Dann stand er abrupt auf. »Du solltest mit deinem Prinzen tanzen.«
Diesmal war es Damon, der fortging. Eleanor blickte ihm nach, wollte ihm zu gern folgen und ihm Trost anbieten. Sie bedauerte, dass sie den Tod seines Bruders angesprochen hatte. Hätte sie nicht wissen müssen, dass er nicht darüber reden wollte? Nun hatte sie unwillentlich eine tiefe Wunde in ihm aufgerissen.
Auch Damon bedauerte ihr Gespräch und wünschte, er hätte Eleanors Fragen und ihre unerwünschten Beobachtungen besser abgewehrt. Für den Rest des Abends fühlte sich seine Brust wie eingeschnürt an, was ihn daran erinnerte, weshalb er die Verlobung mit ihr vor zwei Jahren löste: Eleanor rief zu viele Gefühle in ihm wach.
Zum Glück wurde er auf der Kutschfahrt mit Otto ein wenig abgelenkt, als der ihm erzählte, dass dem Prinzen ein Brechmittel in den Punsch gemischt wurde. Dennoch konnte selbst die Nachricht, dass Damon die Gefahren richtig eingeschätzt hatte, seine Rastlosigkeit nicht eindämmen, die ihn noch plagte, als er zu Hause eintraf.
Statt sich schlafen zu legen, ging er in seine Bibliothek, wo er sich einen sehr großen Brandy einschenkte und trinkend in der Dunkelheit saß. Genauso hielt er es während seines Trauerrituals einmal jährlich zum Todestag seines Bruders, der nächste Woche war. Er fing eben nur ein bisschen früher an.
Als er merkte, wie der Alkohol seine Wirkung tat und er in eine tiefe Benommenheit abglitt, streckte Damon sich auf der Couch aus und schloss die Augen.
Einige Zeit später wurde er von einer beharrlichen Stimme aus dem Abgrund von Schmerz und Dunkelheit gezerrt.
Mit einem Erschaudern wachte Damon auf und wurde sich seiner Umgebung gewahr. Sein Kammerdiener war im schwachen Kerzenschein über ihn gebeugt und schüttelte sanft seine Schulter, während Damon noch mit den Bildern seines Alptraums kämpfte. Im Dämmer fühlte Damon, wie sein Herz
pochte und dass ein Schweißfilm seine Haut bedeckte.
»Sie haben geschrieen, Mylord«, sagte Cornby leise. »Es scheint, Sie hatten wieder einen Alptraum.«
Ja, natürlich. Das war sein Problem.
Langsam setzte Damon sich auf und rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Habe ich das ganze Haus geweckt?«
»Nein, Mylord. Ich war noch nicht zu Bett, deshalb kam ich gleich, als ich Sie hörte.«
»Sie sollen doch nicht auf mich warten, Cornby.«
»Es macht mir nichts, Sir.«
Damon war nicht in der Stimmung, ihren ewigen Streit über das überbordende Pflichtgefühl seines Kammerdieners fortzusetzen. »Ich danke Ihnen. Sie können gehen.«
Als Cornby zögerte, beharrte Damon schroff: »Mir geht es gut.«
Ihm ging es nicht gut, dachte er, als der alte Diener ihn verlassen hatte, denn er konnte den wilden Tumult seiner Gefühle nicht bändigen.
Seit langem hatte er keine Alpträume mehr vom Sterben seines Bruders gehabt, die ihn während der ersten Jahre verfolgten.
Joshua lag auf seinem Sterbebett, rang nach Luft, sein Blut auf dem Taschentuch, dessen grelle Farbe wie ein Hohn angesichts seiner Blässe erschien.
Joshua, der keuchend hustete und sich im Schmerz krümmte, dann das Lächeln auf seinen rissigen Lippen, als er versuchte, seine Familie zu beruhigen, die während der letzten Stunden bei ihm wachte.
Ihre Eltern saßen neben seinem Bett und mühten sich, tapfer zu sein. Damon stand hinter ihnen und
strengte sich an, seine Tränen des Kummers und des Zorns zurückzuhalten.
Dann glitt Joshua in einen dumpfen Schlummer, aus dem er nie wieder erwachte. Als er schließlich aufhörte, zu atmen und sein ausgemergelter Körper sich nicht mehr rührte, schluchzte Damon genauso hemmungslos wie seine Mutter.
Für ihn war es, als wäre er an jenem Tag auch gestorben, nur dass sein Schmerz ebenso wenig aufhörte wie sein unbändiger Zorn. In den darauffolgenden Jahren hatte er den Tod wieder und wieder herausgefordert, gegen das Schicksal rebelliert, gegen die Ungerechtigkeit des Lebens getobt und gegen die Schuld, die ihn erdrückte.
Warum hatte er überlebt? Warum hatte es ihn nicht getroffen? Warum erbte er Titel und Vermögen, obgleich er ihrer nicht würdiger war als sein Zwilling?
Es war nicht einmal sicher, wie Joshua sich die Schwindsucht zugezogen hatte, außer dass er ein amouröses Interesse an einer Barfrau der örtlichen Schankwirtschaft gezeigt hatte, bei der kurz darauf dieselbe Krankheit festgestellt wurde. Aber Joshua
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