Verhängnisvolle Verlockung - Jordan, N: Verhängnisvolle Verlockung - To romance a charming rogue / Courtship-Wars 4
war der Erstgeborene gewesen, der um eine Stunde Ältere. Er hätte derjenige sein sollen, der ein begütertes, freudvolles Leben führte.
Bis heute fehlten Damon die Antworten auf seine Fragen. Er hatte lediglich gelernt, seine Gefühle zu ersticken und die Erinnerungen an seines Bruders Tod in seine Alpträume zu verbannen.
Damals vergingen viele Jahre, bevor er begann, seinen Zorn in fruchtbarere Bahnen zu lenken, die Wissenschaft und die jüngsten Neuerungen in der
Medizin zu nutzen, um den von Schwindsucht Befallenen zu helfen.
Eleanor hatte Recht, wie Damon eingestehen musste. Er konnte seinen Bruder nicht retten, aber er hoffte, andere retten zu können.
Und doch tröstete es ihn auch Jahre später nicht darüber hinweg, dass er der Zwilling war, der überlebt hatte.
Lady Beldon war äußerst enttäuscht zu erfahren, dass Signor Vecchi den Ball vorzeitig mit Prinz Lazzara verlassen hatte, ohne sich von ihr zu verabschieden. Außerdem sorgte sie, dass der Prinz erkrankt war, weil es ihn in seinem Werben um ihre Nichte behinderte.
»Erwähnten sie das al-fresco-Picknick morgen in den Royal Gardens?«, fragte Beatrix Eleanor, als sie vor dem Stadthaus von Lady Haviland standen und auf ihre Kutsche warteten.
»Der Prinz fühlt sich womöglich nicht wohl genug, um an einem Picknick teilzunehmen, Tante«, antwortete Eleanor, die beschlossen hatte, keine Einzelheiten darüber zu erwähnen, was dem Prinzen heute Abend widerfahren war. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand seine Gesundheit, gar sein Leben bedrohte, würde ihre Tante nur unnötig aufregen.
»Was für ein Unglück«, klagte Beatrix. »Ich denke, unsere Bediensteten sollten das Picknick ausrichten. So können wir sicher sein, dass es nur solche Gerichte gibt, die den Geschmack seiner Hoheit treffen und ihn gleichzeitig nicht überstrapazieren, falls er immer noch nicht wohl sein sollte. Ich schreibe
Signor Vecchi gleich morgen früh, um ihm meine Planänderung mitzuteilen.«
»Du bist sehr großzügig, Tante«, murmelte Eleanor, die es unbedingt für klüger hielt, das morgendliche Essen aus ihrer Küche zu bestreiten. Auf die Weise hatten sie die Gewissheit, dass weder dem Essen noch dem Wein etwas beigemischt wurde.
Beatrix lächelte. »Großzügigkeit ist keineswegs mein Beweggrund, meine Teure. Ich bin vielmehr entschlossen, jede Gelegenheit zu nutzen, um Prinz Lazzaras Aufmerksamkeit zu erregen. Er wäre eine solch gute Partie für dich.«
Eleanor enthielt sich einer Erwiderung, weil sie nicht wusste, ob sie die Ansichten ihrer Tante weiterhin guthieß. Nein, sie fing an, ernste Zweifel daran zu hegen, dass der Prinz eine gute Partie für sie war.
Dieser Gedanke trieb Eleanor noch lange um, nachdem sie zu Hause angekommen und schon ins Bett gegangen war. Folglich konnte sie keinen Schlaf finden. Einen Großteil der Nacht wälzte sie sich unruhig hin und her.
Als sie endlich einschlief, erschien Damon in ihren Träumen, nur dass diesmal weder der Liebesakt noch seine Erwähnung ihrer Verlobung eine Rolle spielte. Stattdessen stand sie vor einer hohen, mit dicken Dornen überwucherten Steinmauer und versuchte, ihn zu erreichen. Damon hatte sich eingeschlossen, und sie musste das tückische Hindernis überwinden, um zu ihm zu gelangen und ihn zu befreien …
Der seltsame Traum verharrte in Eleanors Kopf,
als sie im grauen Morgenlicht aufwachte. Da sie eine unerklärliche Traurigkeit empfand, blieb sie eine Weile im Bett liegen und überlegte, was es zu bedeuten hatte.
Im Grunde hatte sie immer schon die Mauer erahnt, die Damon um sich herum errichtet hatte, und vielleicht kannte sie nun die Ursache. Der tragische Verlust seiner Familie würde erklären, warum er niemanden mehr an sich heranließ.
Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte sie diese Mauer hier und dort für einen flüchtigen Moment durchbrochen. Dessen war Eleanor sich gewiss. Aber während der Verlobungszeit war Damon beständig distanzierter geworden, als würde er sich von ihr zurückziehen. Während Eleanor bereit gewesen war, sich ihm mit Leib und Seele auszuliefern, war er immer verschlossener geworden, je näher sie ihm kam.
Und dann endete ihre Verlobung abrupt. Fraglos war Damon erleichtert gewesen, dass ihm keine zu große Nähe mehr zu ihr drohte.
Ein trauriges Lächeln trat auf Eleanors Züge, als sie sich an seine Worte vom gestrigen Abend erinnerte, er hätte das Sanatorium gebaut, weil er versuchen wollte, das Schicksal zu kontrollieren. Auch sie hatte
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