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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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zu dem Platz kam, an dem seine Leute sich versammelten, spürte er, wie sein Arm von einer festen Hand gepackt wurde.
    »Nxumalo, Sohn des Ngalo«, sagte eine Stimme, »das wird dein Heim sein.«
    Es war der Alte Sucher, der gekommen war, um den Jungen zu holen, an dessen Schicksal er so interessiert war. »Du sollst an den Mauern arbeiten.«
    »Aber ich bin der Sohn eines Häuptlings.«
    »Seit wann läuft das kleinste Kalb mit den Stieren?« Nxumalo antwortete nicht, denn er begriff, daß dieser alte Mann mehr war als nur ein verträumter Wanderer, der die Scheide der Weißen Wasser erforschte. In Zimbabwe war er ein vollwertiger Ratgeber am Königshof, und nun sagte er seinem jungen Schützling: »In Zimbabwe erzwingst du deinen
    Weg nicht, Nxumalo. Unsere Mauern werden von den besten Männern in der Stadt gebaut. Sie werden neben sich keine Dummköpfe dulden. Stell sie zufrieden, und du wirst Eingang finden.« Er wies auf die Steintürme im Tal und auf die Mauern der Zitadelle auf der Bergspitze. Das Zimbabwe des Jahres 1454 war sicherlich keine Kopie einer europäischen Stadt wie Gent oder Bordeaux. Seine Architektur war viel primitiver; es wies keine gotische Kathedrale auf, und der Palast war um vieles einfacher. Seine wesentlichsten rituellen und königlichen Zentren waren zwar aus Stein gebaut, die Häuser jedoch aus Lehm und Stroh. Niemand in der Stadt konnte lesen; die Geschichte der Stadt war nicht geschrieben, es gab kein nationales Münzsystem, und die Gesellschaft war nicht so vielschichtig wie in Europa.
    Es war aber ein umsichtig organisiertes blühendes Gemeinwesen mit einer ausgeprägten Geschäftstüchtigkeit. Von dieser legte der stets mit Leben erfüllte Marktplatz lebhaft Zeugnis ab, der eine Vielzahl von Handwerkern und Händlern anzog. Die Stadt war ein gesunder Ort mit guter Wasserversorgung, der mit den meisten in jener Zeit modernen Annehmlichkeiten, einschließlich eines sinnreichen Kanalsystems, ausgestattet war. Sie besaß eine hochqualifizierte Arbeiterschicht und eine Regierung, die stabiler war als die meisten in Europa. Aber obwohl Zimbabwe dieses zentrale Gebiet Südafrikas beherrschte, bedrohten gefährliche Untergrundbewegungen den Fortbestand dieser Stadt, denn sie überspannte zu einer Zeit, in der andere regionale Kräfte in Bewegung waren, ihre Kontrolle und ihre Hilfsquellen bis an die Höchstgrenze. Niemand konnte voraussagen, wie lange diese große Hauptstadt noch weiter florieren würde.
    In dieses Zentrum der Größe und Ungewißheit wurde Nxumalo geschleudert, und während er an der Mauer arbeitete und Steine wie die, welche er transportiert hatte, einsetzte, beobachtete er alles.
    Er sah, wie ein ständiger Strom von Trägern aus allen Richtungen ankam, von denen jeder irgendwelche wertvollen Güter brachte, die sein Bezirk der Hauptstadt schickte, und allmählich entdeckte er die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Gebiete. Es gab zum Beispiel bemerkenswerte Schattierungen der schwarzen Farbe der Menschen: Die aus dem Norden, wo die großen Flüsse strömten, waren schwärzer, die aus dem Westen, wo es mehr von den kleinen braunen Leuten gegeben hatte, mit denen sie sich vermischt hatten, wiesen eher braune Schattierungen auf. Und ein Stamm aus dem Osten schickte Männer, die wesentlich größer waren als die anderen. Aber alle diese Leute wirkten leistungsfähig.
    Sie unterhielten sich in verschiedenen Sprachen, aber die Unterschiede waren nicht groß. Alle konnten die Sprache von Zimbabwe meistern, wenn auch amüsante Dialektunterschiede die Tatsache verrieten, daß einige aus den Sümpfen und andere aus den leeren Ebenen kamen. Vor allem interessierten Nxumalo die Bewohner der Stadt, denn sie bewegten sich mit einer Selbstsicherheit, die er bisher nur bei seinem Vater gesehen hatte. Es waren im allgemeinen gutaussehende Leute, aber es gab unter ihnen eine Beamtenschicht, die besonders auffiel. Gewöhnlich waren sie größer als die anderen, und sie trugen Uniformen aus den kostspieligsten importierten Stoffen, in die Silber- und Goldstreifen eingewebt waren; niemals sah man sie etwas anderes tragen als Stäbe, die ihr Amt kennzeichneten, und auch diese benutzten sie nicht als Spazierstöcke, sondern eher als eine Art Abzeichen. Menschen traten zur Seite, wenn sie herankamen, und einer dieser Beamten kam jeden Tag, um die Arbeit der Steinmetze zu inspizieren. Er war ein bedächtiger Mann, der den Wunsch hatte, daß ihm die Arbeit gefiel, für die er verantwortlich

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