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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Zitadelle nie gesprochen wurde.
    Trotz seines Interesses für das Gold wurde Nxumalo zur Ostseite der Zitadelle weitergeführt, und es bewegte ihn wieder jene innere Furcht, die ihn schon während seiner ersten
    Begegnung mit dem König erfüllt hatte. Denn er wußte, daß er zum Quartier des großen Mhondoro geleitet wurde, durch dessen Mund die Geister sprachen und die Ahnen regierten. Zufällig bekam er flüchtig das Antlitz des Königs zu sehen und erkannte, daß auch er eine feierliche Miene zur Schau trug.
    Als Nxumalo eintrat, schien das Grundstück des Mhondoro verlassen. Bald jedoch erblickte er den Schatten einer Gestalt, die sich im Inneren einer Hütte an der Ecke dieses Grundstücks bewegte. Der Raum wurde beherrscht von einer Plattform in Hüfthöhe. Auf ihr erhoben sich vier Specksteinsockel, von denen jeder die Skulptur eines Vogels trug, der über dem heiligen Ort zu schweben schien. Eine andere Mauer enthielt eine nicht ganz so hohe Plattform, auf der eine Sammlung von Monolithen und anderen heiligen Objekten von großer Schönheit stand. Jedes dieser Objekte bezog sich auf eine wichtige Erinnerung des Volkes, so daß auf diesem Grundstück die volle Geschichte und Mythologie von Zimbabwe stand. Dieses bedeutungsvolle Register der Vergangenheit konnte von dem Mhondoro und seinem König ebenso leicht gelesen werden wie die Schriften der Historiker Europas von den Mönchen.
    Der König hatte das Gewohnheitsrecht, zu der Begegnungsplattform zu gehen, während Nxumalo auf Knien hinrutschen mußte. Dabei sah er, daß er, wenn die Besprechungen begannen, unter schädelartigen Schnitzereien, mit Straußenfedern geschmückten Tontieren, kunstvollen Sammlungen heilkräftiger Perlen und Kiesel und verflochtener Büschel wertvoller Kräuter sitzen würde. Aber kein einziger Gegenstand fesselte seine Aufmerksamkeit so sehr wie das zwei Meter lange Krokodil, das so wirklichkeitsgetreu aus Hartholz geschnitzt war, daß es fähig zu sein schien, den heiligen Mann zu verschlingen; als Nxumalo neben dem Ungeheuer Platz nahm, bemerkte er, daß seine Schuppen aus
    Hunderten von oblatendünnen Goldplättchen bestanden, die sich im Luftzug bewegten und schimmerten. Nun tauchte der Mhondoro aus dem Inneren seiner Hütte auf. Er trug einen gelben Mantel und einen Kopfschmuck aus Tierfellen. Ehrerbietig grüßte der König: »Ich sehe dich, Mhondoro meiner Väter.«
    »Ich sehe dich, mächtiger König.«
    »Das ist jener, der geschickt wurde«, sagte der König. Der Mhondoro deutete an, daß Nxumalo seinen Blick vorwärts richten müsse, sonst würden seine Augen auf die Symbole längst toter Könige fallen und die Geister verärgern, die zusahen. Der junge Mann wagte kaum zu atmen, doch schließlich wandte sich der Mhondoro an ihn: »Welche Neuigkeiten aus den Bergwerken bringst du?«
    »Das Gold aus dem Westen geht zurück.«
    »Früher war es in reichem Maß vorhanden.«
    »Das ist es noch immer, aber unsere Männer fürchten sich, hinzugehen.«
    »Ärger, Ärger«, murmelte das Geistermedium und wandte sich an den König, mit dem er leise über die Probleme sprach, die auf ihre Stadt zukamen. Nxumalo verstand ihre Besorgnis, denn auf seinen letzten Reisen hatte er etliche Male das Gefühl gehabt, die gesamte Hegemonie von Zimbabwe wäre durch schwache Fäden sich auflösender Interessen zusammengehalten. Er spürte die Ruhelosigkeit und argwöhnte, daß gewisse Provinzhäuptlinge an Unabhängigkeit dachten, hatte aber Angst, diese Befürchtungen in Gegenwart der zwei mächtigsten Männer der Stadt zu äußern. Es gab auch noch anderen Ärger: wegen Holz, Weiderechten, Salzmangel. Und es wurde sogar davon gesprochen, daß die Araber mit Gebieten außerhalb der Kontrolle Zimbabwes ihre eigenen Handelsbeziehungen anknüpfen könnten.
    Der quälende Nachmittag verstrich, und als unten in der Stadt Feuer auftauchten, stimmte der Mhondoro einen träumerischen Singsang an: »Vor Generationen errichteten unsere mutigen Vorfahren diese Zitadelle. Mhlanga, Notapes Sohn, Sohn von Chuda...« Er führte Stammbäume bis zurück zum Jahr 1250 auf, in dem mit dem Bau der Mauern von Zimbabwe begonnen worden war. »Es war der Urgroßvater des Königs, der vor noch nicht allzu langer Zeit den großen Turm dort bauen ließ. Es schmerzt mein Herz zu denken, daß wir diesen edlen Ort vielleicht eines Tages den Kletterpflanzen und Bäumen werden zurückgeben müssen.« In der nun folgenden Stille wurde sich Nxumalo bewußt, daß von ihm eine

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