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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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verlangte Saltwood, und der Portugiese brachte vierzehn seltsame, dunkle, pyramidenförmige Gebilde an, die an der Grundfläche etwa sechzig Quadratzentimeter maßen. »Was kann das sein?«
    »Rhinozeroshörner.«
    »Ja! Ja!« Er hatte auf den Seiten seines Logbuches, wo er seine Notizen für sein großes Abenteuer vorbereitet hatte, vermerkt, daß Rhinozeroshörner Gewinn bringen könnten, wenn man sie zu Häfen transportierte, in die Chinesen kamen. »Wo soll ich sie absetzen?« fragte er. »In Java. Die Chinesen kommen häufig nach Java.«
    Der Handel wurde abgeschlossen, und der Portugiese meinte: »Eine Warnung noch. Die Hörner müssen so geliefert werden, wie sie sind. Nicht zu Pulver zerreiben, denn die alten Männer, die sich danach sehnen, junge Mädchen zu heiraten, müssen sehen, daß das Horn echt ist, da es sonst nicht wirkt.«
    »Nützt es wirklich?« fragte Saltwood. »Ich brauche noch keines«, gab der Portugiese zurück. Wo immer die »Acorn« ankerte, studierte Jack die Gewohnheiten der Leute, wunderte sich über ihre Vielfalt und darüber, wie deutlich sie sich von den englischen Seeleuten unterschieden, mit denen er nun vertraut war und deren Sprache er ganz gut beherrschte. In der imposanten Stadt Kilwa fiel ihm die Schwärze der Haut der Eingeborenen auf; in Kalikata sah er Menschen, deren Hautfarbe in der Mitte zwischen seiner eigenen und der seiner Schiffsgefährten lag; in dem strahlenden Goa, wo alle Schiffe Station machten, bestaunte er die Tempel.
    Er gewann großen Respekt vor Kapitän Saltwood, der nicht nur der Besitzer der »Acorn« war, sondern sie auch mit Scharfsinn und Kühnheit führte. Einen verträumten Tag nach dem anderen trieb sie sanft durch die schaukelnde See, dann lief sie zielbewußt einen Hafen an, von dem keiner von der Besatzung vorher gehört hatte; dort ging Saltwood ruhig an Land, redete und hörte zu, und nach einem Tag vorsichtiger Beurteilung gab er seinen Leuten ein Zeichen. Sie brachten ihre Warenbündel zum Marktplatz und packten sie sorgfältig aus, um die Käufer zu beeindrucken. Und immer hatte Saltwood am Ende des Tauschhandels ein neues Produkt, mit dem er seine Laderäume füllte.
    Wie all die kleinen braunen Menschen liebte es Jack zu singen, und wenn die Matrosen abends ihre Freizeit mit Seemannsliedern verbrachten, schloß er sich ihnen mit seiner sanften, klaren Stimme an, die den Klang einer hellen Glocke hatte. Das gefiel ihnen; sie lehrten ihn ihre Lieblingslieder, und oft ließen sie ihn allein singen. Während sie sich räkelten, stand er da, ein kleiner Kerl von einsfünfundvierzig, seine schrägstehenden Augen fest geschlossen, ein breites Lächeln im Gesicht, und sang Lieder, die in Plymouth oder Bristol entstanden waren. Dabei fühlte er sich als Mitglied der Besatzung.
    Da gab es aber noch etwas anderes, was ihm sehr mißfiel. Manchmal riefen die englischen Matrosen: »Zieh deine Hose aus!« und wenn er sich weigerte, lösten sie die Schnur, die sein selbstgenähtes Beinkleid hielt, und zogen es nach unten; dann sammelten sie sich um ihn und wunderten sich, daß er nur einen Hoden hatte. Als sie ihn deswegen befragten, erklärte er: »Zu viele Menschen. Zu wenig Nahrung.«
    »Was hat das damit zu tun, daß dir eines deiner Eier fehlt?« fragte ihn ein Mann aus Plymouth.
    »Jedem Jungen, wenn Baby, schneiden sie es weg.«
    »Was hat das mit der Nahrung zu tun?« Der Mann aus Plymouth witzelte: »Ihr werdet doch nicht.«
    »Damit, wenn wir erwachsen sind und eine Frau suchen, wir niemals Zwillinge finden können.«
    Immer, wenn die Reise langweilig wurde, riefen die Matrosen: »Jack, laß deine Hose runter!«, und an einem schwülen Nachmittag im Indischen Ozean brachten sie Kapitän Saltwood nach unten. »Sie werden staunen!« sagten sie, während sie den kleinen Burschen suchten. Sie stellten ihn auf ein Faß und riefen: »Jack, runter mit deiner Hose!« Er weigerte sich jedoch heftig und umklammerte seine Taille, um die Schnur zu schützen, die seine Hose hielt.
    »Jack!« riefen die Männer ärgerlich, »Kapitän Saltwood will es sehen.« Aber Jack hatte genug. Hartnäckig, mit zusammengebissenen Zähnen, weigerte er sich, seine Hose herunterzulassen, und als zwei kräftige Matrosen zu ihm kamen, wehrte er sie ab und schrie: »Ihr zieht auch eure Hosen nicht runter!« Saltwood sagte ruhig: »Er hat recht, Leute. Laßt ihn in Frieden.« Und von dem Tag an ließ er nie wieder die Hose runter, und seine Standhaftigkeit hatte eine

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