Verheißene Erde
unvorhergesehene Wirkung: Er, der einmal das Spielzeug der Matrosen war, wurde nun ihr Freund.
Der Teil der Reise, der ihm am besten gefiel, kam, als die »Acorn« an dem großen portugiesischen Fort in Malakka vorbeiglitt und weit nach Osten, zu den Gewürzinseln, fuhr; dort sah er zum ersten Mal Stoffe, die mit Gold und Metallfäden von den Inseln durchwirkt waren. Es war eine Welt, deren Reichtümer er nicht ermessen konnte, wohl aber erkannte er deren Wert aus der respektvollen Art, mit der seine Freunde diese Schätze behandelten.
»Pfeffer! Das bringt Geld«, erklärten ihm die Matrosen, und wenn sie die kleinen schwarzen Körner zerdrückten, damit sich der aromatische Duft entfaltete, nieste er und war entzückt. »Muskatnuß, Muskatblüten, Zimt!« wiederholten die Seeleute, während die schweren Säcke an Bord gehievt wurden. »Kurkuma, Kardamom, Kassie!« fuhren sie fort. Am meisten angetan hatten es ihm jedoch die Gewürznelken, und obwohl dieser kostbare Stoff von Wachen behütet wurde, gelang es ihm, einige zu stibitzen. Er zerknackte sie zwischen den Zähnen und hielt sie unter der Zunge, wo sie brannten und ein angenehmes Aroma ausströmten. Einige Tage lang ging er auf dem Schiff umher und blies den Matrosen seinen Nelkenatem entgegen, bis sie anfingen, ihn Stinkjack zu rufen.
Wie herrlich war doch der Osten! Als die »Acorn« ihren Tauschhandel abgeschlossen hatte, erteilte Kapitän Saltwood den willkommenen Befehl: »Wir fahren nach Java und zu den Chinesen, die auf unsere Hörner warten.« Und das kleine Schiff segelte viele Tage an der Küste Javas entlang, während Seeleute an der Reling standen, um diese traumhafte Insel zu bewundern, auf der sich die Berge bis zu den Wolken erhoben und der Urwald so weit nach unten wuchs, daß er seine Wurzeln ins Meer tauchte. Kapitän Saltwood fand keine Zeit, sich an diesem Anblick zu erfreuen, denn er war mit zwei ernsten Problemen beschäftigt: Er hatte so meisterhaft Tauschhandel getrieben, daß sein Schiff ein wirklich großes Vermögen enthielt und gegen Seeräuber geschützt werden mußte. Und dieses Vermögen war wertlos, wenn er sein Schiff nicht wohlbehalten am Fort von Malakka vorbeibrachte und heil über die Meere, rund um das Kap der Guten Hoffnung, durch die Stürme am Äquator und heim nach Plymouth gelangte. Gequält von diesen Sorgen, warf er auf der Reede von Java Anker und ließ sich an Land rudern, um mit den chinesischen Kaufleuten zu verhandeln, die sich vielleicht für seine Rhinozeroshörner interessierten. Während die »Acorn« vor Anker lag und wartete, bis sich die nächste Flotte für die Reise nach Europa formierte, hatte Jack Gelegenheit, das Handelszentrum eingehend zu beobachten, das die Holländer auf Java errichtet hatten. Er schlenderte an der Küste umher, um die verschiedenen Schiffe zu identifizieren, die in diesen asiatischen Gewässern segelten: Karacken mit ihren starrenden Kanonen, schnelle Fleuten aus Holland, die erstaunlichen Praus von den Inseln - sie konnten, indem man den Platz des Mastes veränderte, mit der gleichen Geschwindigkeit in beide Richtungen segeln - und die besten von allen, die turmhohen Ostindienfahrer. Während er zusah, wie einer dieser Riesen entladen wurde, fiel ihm ein hochgewachsener, magerer Holländer auf, der immer das Vorkaufsrecht der besten Ladungen für sein Lagerhaus zu haben schien, das unweit des Hafens stand. Die Händler nannten ihn Mijnheer van Doorn, und er schien ein überaus ernster Mensch zu sein, der sich seiner Stellung wohl bewußt war, obgleich er kaum älter sein konnte als dreiundzwanzig. Jack wurde von seiner steifen Würde eingeschüchtert und sprach mit ihm in gebrochenem Englisch.
»Woher kommst du?« fragte der Holländer, der wie von großer, souveräner Höhe auf ihn hinunterblickte. »Viele Tage.«
»Du bist nicht schwarz. Du bist nicht gelb. Woher?«
»Untergehende Sonne.«
Die Befragung war so unbefriedigend verlaufen, daß van Doorn einen Matrosen von der »Acorn« rief und fragte: »Woher stammt dieser Bursche?« Und der Mann antwortete: »Wir haben ihn am Kap der Guten Hoffnung mitgenommen.«
»Hmmmm!« van Doorn trat zurück, blickte an seiner langen Nase entlang nach unten auf den kleinen Kerl und sagte: »Ist das Kap ein schöner Ort?« Jack verstand nichts von alldem, lachte und wollte sich schon zurückziehen, als er einen Weißen etwa in seiner Größe erblickte, einen dreizehnjährigen Jungen, den van Doorn liebevoll behandelte. »Dein
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