Verheißene Erde
kleinen Stadt Venloo, wo er in dem netten, von Juden geführten Hotel gut aß, und da es an Sonntagen dort absolut nichts zu tun gab, wohnte er dem morgendlichen Gottesdienst in der holländischreformierten Kirche bei, wo er zum erstenmal einen Eindruck vom wirklichen Südafrika erhielt.
Er kam, wenige Minuten nachdem der Gottesdienst begonnen hatte, hinein, und es war ein glücklicher Zufall, daß die Versammlung ein Kirchenlied sang, das er lieben gelernt hatte: Martin Luthers »Ein feste Burg ist unser Gott« war auch in Australien und Amerika sehr beliebt, und obwohl es auf afrikaans gesungen wurde, war seine erhabene Botschaft in allen Sprachen die gleiche, und er sang laut die englische Version. Dabei merkte er, daß ein überaus reizvolles Afrikandermädchen mit einer Gretchenfrisur über ihn lachte. Rasch wandte er den Kopf, begegnete ihrem Blick, sie errötete und vergrub das Gesicht in ihrem Gesangbuch. Da sie aber dieses schönste Kirchenlied der Afrikander auswendig kannte, blickte sie bald wieder hoch, und er sah das liebliche Gesicht, das ihm während der restlichen Monate der Grabungen nicht mehr aus dem Kopf ging. Es war ebenmäßig, typisch holländisch, mit breiter Stirn, blauen Augen, vollen Lippen und kräftigem Kinn. Sie war nicht groß, schien aber kräftig zu sein, wie ein schmuckes holländisches Farmhaus, das sich an den Berg am Kap schmiegte. Sie war weiß gekleidet, so daß ihr flachsblondes Haar und ihr goldbrauner Teint vorteilhaft strahlten, und sie konnte unmöglich ihr schelmisches Lächeln unterdrücken.
Er beendete Luthers Kirchenlied, diesen Schlachtruf einer neuen Religion, mit voller Stimme, dann setzte er sich so hin, daß er das Mädchen mit der Gretchenfrisur beobachten konnte, aber bald wurde seine Aufmerksamkeit auf die Kanzel gelenkt, die sich über die Gemeinde erhob und von der aus ein junger Geistlicher eine brillante Predigt hielt. In seinem schwarzen Talar neigte er sich vor, um zu tadeln, zu bitten, anzufeuern, zu verspotten, zuzureden, zu drohen und zu segnen.
Seit ich bei den Holy Rollers in Oklahoma war, habe ich keine solche Predigt mehr gehört, sagte sich Saltwood und vergaß einen Augenblick lang das Mädchen, während er den Worten des Predigers zu folgen versuchte. Er verstand nur so viel Afrikaans, wie ein Ingenieur sich in einem Bergbaulager aneignen konnte, doch das genügte ihm, um die Hauptgedanken aufzuschnappen: Josua befand sich auf einem Hügel und blickte hinab auf Jericho; er stand vor einer schweren Aufgabe, die der Herr ihm auferlegt hatte, und die Menschen dieser Gemeinde, alle, Männer, Frauen und Kinder, befanden sich an diesem Morgen auf einem ähnlichen Hügel und blickten nach unten auf ihre Aufgabe.
Was Saltwood überwältigte, war die Art des Vortrags: Das ist nicht eine Kanzelrede, wie ich sie aus der Episkopalkirche kenne. Das ist wahre Religion. Dieser Mann ist der beste Prediger, den ich je gehört habe. Und dann sah er etwas, das ihm anfänglich entgangen war. Rechts vom Prediger saß steif eine Gruppe von dreißig älteren Männern mit feierlichen Gesichtern; sie trugen schwarze Anzüge, weiße Hemden und strahlend weiße Krawatten und schienen jedes Wort des jungen Predigers geistig festzuhalten. Sie nickten, wenn sie billigten, was er sagte, oder blickten grimmig, wenn sie nicht einverstanden waren. Weil sie genau unterhalb der Kanzel saßen, mußten sie nach oben blicken, um den Prediger zu sehen, so daß sie aussahen wie eine Gruppe von einem Ghirlandaio-Fresko in Florenz oder wie die Gestalten aus einer dunklen Terrakottagruppe von einem der della Robbias.
Links von dem Prediger saß eine Gruppe wesentlich jüngerer Männer, ebenfalls in Schwarz mit den gleichen weißen Hemden und Schlipsen. Auch sie folgten dem Prediger mit großem Interesse, aber ihre besondere Funktion wurde erst gegen Ende des Gottesdienstes klar, als sie alle aufstanden, zum Fuß der Kanzel gingen und schwere Holztassen nahmen, die für die Kollekte bestimmt waren. Während der Chor sang, gingen die jungen Männer rasch durch die Reihen, und als Saltwood sah, wie groß sie waren, dachte er: Ich würde mit dieser Bande nicht gern auf einem Rugbyfeld zusammentreffen. Er lächelte, sah die älteren Männer an:.oder versuchen, ein Gesetz durchzubringen, mit dem sie nicht einverstanden sind. Der Gottesdienst endete mit einem kurzen, schönen Trost- und Versöhnungsgebet, und als sich Saltwood zum Ausgang wandte, kam er zu dem Schluß: Das war der schönste
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