Verheißene Erde
Gottesdienst, an dem ich je teilgenommen habe. Er spürte, daß es eine Angelegenheit der Gemeinschaft gewesen war, eine Versammlung Gleichgesinnter, die aufrichtig an die Botschaft glaubten, die der Prediger ihnen verkündete, und die einstimmig Gott dankten, daß er ihnen wieder Seine Güte und Fürsorge bewiesen hatte. Das waren seine Gedanken, als jemand seinen Arm mit festem Griff packte und eine kräftige Stimme fragte: »Sind Sie nicht Philip Saltwood, der Diamantengräber?«
»Ja, der bin ich«, sagte er, wandte sich um und sah einen robusten Mann über vierzig, offensichtlich Afrikander. Der Mann lächelte ihm freundlich zu, wie es Afrikander immer gegenüber Fremden taten, die ihre Kirchen besuchten.
»Ich heiße Marius van Doorn. Wir wohnen westlich von hier, und es wäre eine Ehre für uns, wenn Sie zum Mittagessen zu uns kämen.« Dabei griff der Sprecher nach dem Arm seiner Frau und zog sie nach vorn, während sie die Hand ihrer Tochter faßte, und Saltwood sah zu seiner Freude, daß es das Mädchen mit der Gretchenfrisur war, das ihm zugelächelt hatte. »Das ist meine Tochter Sannie«, sagte der Mann.
»Susanna van Doorn«, erklärte ihre Mutter, und sie machten sich auf den Weg nach Vrymeer.
Dieser ersten Einladung folgten weitere. Wann immer Saltwood sich von der Diamantensuche freimachen konnte, fuhr er die wenigen Kilometer von Venloo nach Vrymeer, und sobald er über den letzten Hügel kam, schlug sein Herz schneller.
Durch die Form des Van-Doorn-Hauses und die Krümmung der Straße wurden Besucher automatisch zur Küchenveranda geführt. Die Familie van Doorn versammelte sich für gewöhnlich in dem großen, einladenden Hinterzimmer. Seine Einrichtung bestand aus einem langen Brettertisch, zwei bequemen geschnitzten Stühlen, von denen einer für den Hausherrn, der andere für besondere Gäste bestimmt war, sowie neun rustikalen, jedoch weniger eindrucksvollen Stühlen. An der einen Wand standen Regale mit Gläsern, die eingelegtes Obst und Gemüse enthielten. Gegenüber befand sich eine Sammlung von altem Kupfergeschirr. Es gab auch einen großen Glasbehälter, aber nur selten erfuhr ein Gast, was er enthielt: die Überreste des alten braun-goldenen
holländischen Topfs, der sich seit Generationen im Besitz der Familie van Doorn befunden hatte. Am anderen Ende der Küche hatte ein elektrischer Herd schon längst das alte kohlenfressende Ungeheuer ersetzt, aber die Dienstboten waren immer noch dieselben: eine ältere Frau aus der Familie Nxumalo und zwei junge Mädchen. Diese Küche vermittelte ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
Sannie versuchte nicht, ihre Freude darüber zu verbergen, daß sie in dem amerikanischen Geologen einen unerwarteten Verehrer hatte; wenn er auf die Farm kam, lief sie zur Veranda, um ihn zu begrüßen, streckte ihm beide Hände entgegen und führte ihn in die Küche, wo heißer Kaffee und kaltes Bier warteten. Gegen Ende des zweiten Monats der Grabungen betrachtete er Vrymeer bereits als sein Hauptquartier und nahm dort sogar Telefonanrufe entgegen. Er fühlte sich bei seinen neuen Freunden wohl, denn Sannie war eine reizende junge Frau, und ihre Eltern erwiesen sich als hilfsbereit und mitteilsam. Mevrou van Doorn war Engländerin und repräsentierte die Geisteshaltung dieser großen Bevölkerungsgruppe, während ihr Mann ein echter Afrikander war, von dem Philip Einblick in die Denkweise der Männer erhielt, die das Land regierten. Bei den endlosen, oft hitzigen Debatten in der Küche der van Doorns lernte er den Standpunkt der Afrikander kennen ebenso wie den der Engländer und der jungen Generation. Wie alle Besucher wunderte sich Philip über die Offenheit, mit der die Bürger Südafrikas ihre Probleme diskutierten. Jeder hatte das Recht, seine Meinung zu äußern, Alternativen zu entwickeln, und was bei den Debatten in der Küche nicht berührt wurde, kam in den sehr guten englischsprachigen Zeitungen zur Sprache. In diesem Land gab es keine Diktatur wie in Idi Amins Uganda oder Francos Spanien; wenn ein Fremder eine durchschnittliche Afrikanderfamilie kennenlernte, konnte er sicher sein, nach höchstens fünfzehn Minuten gefragt zu werden: »Glauben Sie, daß wir eine bewaffnete Revolution vermeiden können?« oder: »Haben Sie jemals etwas Dümmeres gehört als das, was unser Premierminister gestern vorgeschlagen hat?« Und so erfuhr
Philip sowohl an seinem Arbeitsplatz, wo er mit den verschiedensten Südafrikanern in Berührung kam, als
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