Verheißene Erde
lösten sich voneinander und umarmten sich wieder. Als sie an diesem Abend zu ihrem Campingplatz zurückkehrten, war es Sannie, die vorschlug: »Fahren wir doch zu dem anderen. Es wird weniger peinlich sein.« Und als sie zum anderen kamen und der Verwalter fragte: »Eine Hütte?«, sagte sie: »Ja.« In den nächsten Wochen unternahmen Sannie und Philip Ausflüge zu verschiedenen Orten in Ost-Transvaal, nach Waterval-Boven, wo sie sich die Zahnradbahn ansahen, und zum ehemaligen Konzentrationslager Chrissiesmeer; an einem Wochenende fuhren sie nach Pretoria, und die rauhe Schönheit der Hauptstadt überraschte sie. Philip war besonders beeindruckt von dem mächtigen Standbild Oom Paul Krügers, der von vier kampfbereiten Buren umgeben ist.
»Heroisch, wie es sich für eine patriotische Plastik gehört«, rief er. »Warte, bis du das Voortrekker-Monument siehst!« sagte sie erfreut darüber, daß er diese Kostbarkeiten schätzte. Und wieder behielt sie recht. Das große, düstere Bauwerk auf dem Hügel, das an die Gebäude von Groß-Zimbabwe erinnerte, beschwor den Afrikandergeist so vollkommen herauf, daß er sich beinahe scheute, es zu betreten. »Läßt man Engländer hier überhaupt hinein?«
»Willkommen sind sie nicht«, meinte sie scherzhaft, »aber ich sage einfach, du bist mein Afrikandervetter aus Ceylon.« Als sie hineingingen und Philip die Flachreliefs sah, die Blood River und andere Siege der Afrikander darstellten, war er betroffen, denn es mutete seltsam an, daß das wichtigste Denkmal einer Nation nur einem kleinen Teil ihrer Bevölkerung gewidmet war. Es gab da keine Schwarzen und keine Engländer, nur Afrikander, die hier ihre schwer erkämpften Siege verewigten.
»Wie viele Menschen gibt es in Südafrika?« fragte er, als sie auf einer Steinbank in der unteren Krypta saßen. »Ungefähr einunddreißig Millionen, alles in allem.«
»Und wie viele Afrikander?«
»Höchstens drei Millionen.«
»Weniger als ein Zehntel der Gesamtbevölkerung. Erscheint es dir nicht merkwürdig, Sannie, daß euer größtes Nationaldenkmal nur für ein Zehntel der Bevölkerung errichtet worden ist?«
»Es gibt keine Einschränkungen. An gewissen Tagen, zu bestimmten Zeiten werden Schwarze eingelassen.«
»Wollen sie denn kommen? Zu einem Denkmal, das ihre Niederlage darstellt?«
Sie zog sich einen Augenblick von ihm zurück und sagte kühl: »Wir sind ein Volk im laager und können unsere
Vergangenheit nicht verleugnen. Aus den in diesem Gebäude dargestellten Szenen schöpfen wir unsere Stärke.«
Von diesem gewaltigen, ehrfurchtgebietenden Bauwerk aus begaben sie sich wieder hinunter in die Stadt, wo Philip ein weiteres Wunder erwartete: Soweit sein Blick reichte, waren die Straßen von Jakarandabäumen voller purpurroter Blüten gesäumt; es waren nicht Hunderte, sondern Tausende und Abertausende, so daß die ganze Stadt wie ein einziges Blütenmeer wirkte. Er hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen, und als sie am Abend ins Bett schlüpften, flüsterte er ihr zu: »Du bist eine Mischung aus Monument und Jakaranda -verbissene Beständigkeit und sanfte Schönheit.« Als sie nichts sagte, sich nur enger an ihn schmiegte, um geküßt zu werden, fragte er: »Wollen wir heiraten?«, aber da zog sie sich zurück, denn sie war noch nicht bereit, eine solche Verpflichtung einzugehen.
Nachdem sie etwa ein Dutzend kleine Städte besucht hatten, von denen jede ihre Statue eines unbedeutenden Burenkrieggenerals besaß, kehrten sie nach Pretoria zurück, wo sie ihn zu dem schönen Standbild von General Louis Botha vor den Regierungsgebäuden führte. Dahinter stand ein düsteres, stattliches Denkmal für jene 2683 südafrikanischen Soldaten, die in einer einzigen Schlacht gefallen waren.
»War nicht Bois d’Ellville die bedeutendste Schlacht, an der eure Truppen je teilnahmen?« fragte Philip.
»Möglich«, gab sie widerwillig zu. »So viele Gefallene.«
»Es war der falsche Krieg, auf dem falschen Kontinent von den falschen Truppen ausgetragen.« Etwas weniger apodiktisch fügte sie hinzu: »Es war eine englische Angelegenheit, die in unserer Geschichte keine Rolle spielte, ein längst vergessener Zwischenfall.«
Er war hingerissen von der Schönheit Südafrikas, dem unendlichen Veld, den baumlosen Weiten der Landschaft, den wundervollen, oben abgeflachten kleinen Hügeln, den Enklaven mit Elefanten, weißen Nashörnern und Elenantilopen und dem weiten, strahlenden Himmel. »Eure Straßen sind viel besser
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