Verheißene Erde
Riebeeck fragte mit hohl klingender Stimme: »Wie viele Jahre noch?«
»Bis Sie genug Fleisch und Wein für unsere Schiffe liefern.« Van Doorn sagte sehr scharf: »Sie dürfen nicht vergessen, Kommandant, daß Sie und Ihre Leute nicht hier sind, um ein Dorf zu Ihrem eigenen Vergnügen zu bauen, sondern um eine Station zu errichten, die unsere Schiffe versorgt. Alles spricht jedoch dafür, daß Sie sich zu sehr auf ersteres konzentrieren.«
Dann griff er nach einem anderen Blatt und begann die Einsprüche und Entscheidungen der »Siebzehn Herren« zu verlesen, von denen keiner jemals in Südafrika gewesen war, die aber alle die Berichte van Riebeecks eingehend studiert hatten.
Erstens: Hendrick Wouters darf keine Schweine halten. Zweitens: Leopold van Valck darf sein Getreide nicht auf dem Feld jenseits des Flusses anbauen.
Drittens: Henrikus Faber hat für den Gebrauch des Pfluges neunzehn Gulden zu bezahlen.
Viertens: Der aus Java importierte Reis darf keinem aus Angola erworbenen Sklaven verabreicht werden, sondern nur denen, die sich während ihres Aufenthaltes in Malakka daran gewöhnt haben.
Und so ging es weiter: Der Schmied darf das Pferd des Gärtners nur beschlagen, wenn dieses für Geschäfte der Kompanie verwendet wird; der Krankenbetreuer soll sonntags den Gottesdienst abhalten, darf aber nie wieder aus seinen eigenen Notizen predigen; er muß sich darauf beschränken,
Predigten zu verlesen, die bereits in Holland von geweihten Predigern gehalten wurden; Frau Sibilla van der Lex darf keinen kostspieligen Schmuck tragen; nach acht Uhr abends darf nicht laut gesungen werden, sonntags überhaupt nicht; und die Namen der vier Seeleute, die am vergangenen Neujahrstag zu Besuch waren und dabei ertappt wurden, wie sie völlig nackt mit Sklaven tanzten, müssen mit Kommissar van Doorn zu den Behörden nach Java geschickt werden, wo sie wegen unmoralischen Verhaltens zu verurteilen sind.
»Sie müssen die Leichtfertigen ausmerzen«, erklärte van Doorn, und erst dann fragte er: »Arbeitet mein Bruder gut?«
»Wir haben ihn im Weingarten eingesetzt.«
»Sie sagten, die Reben gedeihen schlecht.«
»Das stimmt, Mijnheer, aber das ist nicht seine Schuld. Sie kamen in schlechtem Zustand hier an. Sie wurden in Deutschland verpackt. Ungeeignet.«
»Ich habe Reben aus Frankreich mitgebracht«, sagte van Doorn streng. »Ich kann Ihnen versichern, daß sie zweckmäßig verpackt wurden.« Dann lächelte er zum erstenmal und sagte: »Ich möchte meinen Bruder sehen. Sagen Sie nichts davon, aber ich bringe eine Überraschung mit.« Willem hatte geduldig vor der Tür gewartet. »Der Kommandant verlangt nach Ihnen«, erklärte ein Diener; Willem sprang auf, als besäße der Diener große Autorität, und trat ins Büro. Sein Bruder sah glänzend aus. »Wie geht es dir, Willem?«
»Ich bin sehr froh, hier zu sein. Freut mich sehr, dich zu sehen, Karel.«
»Ich bin jetzt Kommissar. Auf Java werde ich Assistent des Gouverneurs sein.«
»Wie geht es Mutter?«
»Ausgezeichnet, soviel wir hören. Ich möchte, daß du meine Frau kennenlernst«, sagte er, und während er sprach, glitt ein Ausdruck von Mitleid oder Belustigung über sein Gesicht. Er ergriff den Arm seines Bruders. Sie gingen in einen Teil des Forts, der speziell für den Besuch gesäubert und eingerichtet worden war. Er war aus schönen Ziegeln, die vor kurzem in der Kolonie gebrannt worden waren, und verfügte über einen soliden Fußboden aus festgestampftem, getrocknetem Kuhdung. Die Einrichtung bestand aus fünf Möbelstücken aus schönem dunklem Mahagoni, die von einem malaiischen Sklaven auf Mauritius geschnitzt worden waren: ein Tisch und drei Stühle sowie ein imposanter Kleiderschrank, der den Großteil einer Wand einnahm. Auf einem der Stühle saß die vornehme Dame, die Willem vor einigen Stunden hatte an Land kommen sehen.
»Das ist deine Schwester Kornelia«, sagte Karel, und die Frau nickte, ohne jedoch die Hand auszustrecken.
Aber sie lächelte in der gleichen mysteriösen Art wie Karel kurz zuvor. »Und das«, fuhr Karel fort, »ist Dr. Grotius, der die Hochzeiten und Taufen abhalten wird.« Grotius war ein rechtschaffener, scheuer Mann, fünfzig Jahre alt und knochig. Er war schwarz gekleidet, mit Ausnahme eines weißen Kragens von enormer Größe, und begrüßte jeden, der zu ihm kam, mit einem leichten Kopfnicken, wobei er keine Miene verzog.
»Dr. Grotius wurde abgesandt, um das religiöse Leben in Batavia zu aktivieren«,
Weitere Kostenlose Bücher