Verheißenes Land
Abenteuer, dessen Ausgang für jeden Overlander ungewiss war.
»Ja, jetzt sind wir wieder einmal Auswanderer, die nicht wissen, was sie unterwegs erwartet und was am Ende ihrer langen Reise liegt«, sagte Emily ein wenig beklommen. »Ich hoffe inständig, dass es wirklich das gelobte Land ist, von dem so oft die Rede ist!«
»Es ist schon merkwürdig«, sagte Patrick versonnen. »Seit der Mensch von Gott geschaffen wurde, zieht er immer weiter und weiter in den Westen. Vielleicht ist das unser ewiges Schicksal?«
Éanna sah zu ihm hinauf. »Das ist wirklich ein schöner Gedanke, Patrick.«
Er lachte. »Ja, vielleicht sollte ich ihn besser aufschreiben, bevor ich ihn wieder vergesse. Denn letztlich sind mir nicht mehr viele Gedanken gekommen, die es wert gewesen wären, sie festzuhalten«, sagte er scherzhaft. »Die einzige geistreiche Notiz, die ich in den letzten Wochen gemacht habe, stammt nicht einmal von mir, sondern ist der Kommentar eines französischen Kaufmanns, den ich nach meiner Flucht von der Sarah Lee kennengelernt habe. Wir sind zusammen mit der Eisenbahn nach New York gefahren.«
»Und was hat dieser Franzose so Geistreiches gesagt, dass du es dir gleich notiert hast?«, wollte Emily wissen.
»Er sagte: ›Wenn im Westen die Hölle läge, würden die Amerikaner den Himmel durchqueren, um dorthin zu gelangen!‹«
»Nein. Wir haben die Hölle schon hinter uns gelassen«, sagte Éanna in Erinnerung an die Hungerjahre und das millionenfache Sterben in Irland. Und obwohl sie sich bemüht hatte, zuversichtlich und bestimmt zu klingen, konnte sie nur hoffen, dass sie damit recht behielt.
Achtzehntes Kapitel
Die ersten Tage auf ihrem Zug nach Westen waren trotz aller Anstrengungen, die sie mit sich brachten, die leichtesten. Der Trail führte durch eine fruchtbare Landschaft mit Wäldern und klaren Bächen, wo sie reichlich Feuerholz, Wasser und Gras für die Tiere sowie gute Lagerplätze fanden. Das erleichterte den Beginn ihrer Reise erheblich, denn dieser Teil der Strecke gab ihnen die nötige Zeit, mit dem Dasein als Overlander vertraut zu werden und sich in die tägliche Routine und Gemeinschaft einzufinden. Das Leben im Treck brachte so viel Neues mit sich, dass sie alle heilfroh waren, sich nicht noch zusätzlich um unwegsame Wegstrecken oder Futter für die Tiere sorgen zu müssen.
Das bedeutete jedoch nicht, dass diese erste Woche ohne Probleme und unangenehme Zwischenfälle verstrichen wäre. So mancher Städter unter ihnen musste im Morgengrauen zu seinem Leidwesen feststellen, dass er sein Pferd oder seine Kuh nicht ordentlich angebunden hatte und das Tier sich in der Nacht auf der Suche nach schmackhaftem Gras weit vom Lager entfernt hatte. Die Suche nach den Ausreißern war oft mühsam und brachte viel Aufregung mit sich. Außerdem hatten die Pechvögel nicht selten unter dem Unmut der anderen Reisenden zu leiden, denn der ganze Wagenzug musste dann warten, bis das entlaufene Vieh wieder eingefangen war.
Und schon am Abend des zweiten Tages geschah der erste Deichselbruch. Das Missgeschick widerfuhr den Larkin-Brüdern, als sich die Wagen zur Wagenburg formierten. Sie hatten die Ochsen beim Einlenken in den Kreis zu einer zu scharfen Drehung nach rechts bewegen wollen. Zu ihrem Glück führten sie nicht nur eine Reserveachse, sondern auch eine zusätzliche Deichsel mit sich, wie es auch viele andere getan hatten, deren Geld noch für diese Ersatzteile gereicht hatte. Beides hatten die Larkins unter dem Boden ihres Wagens festgebunden. Jason und Hiram rauften sich die Haare, weil sie nicht besser aufgepasst hatten, denn zu dem schmerzlichen Verlust einer Deichsel zu einem so frühen Zeitpunkt der Reise kam noch die Arbeit, die mit dem Auswechseln verbunden war.
Als Éanna sah, dass die beiden kaum mehr Zeit haben würden, um Feuerholz zusammenzutragen und sich etwas zu essen zu machen, schickte sie Brendan zu ihnen.
»Sag ihnen, sie sollen zu uns ans Feuer kommen, wenn sie mit dem Auswechseln fertig sind«, trug sie ihm auf. »Wir werden ein paar Maisfladen mehr backen und ihnen auch einen Teller Bohnen und Kaffee anbieten.«
»In Ordnung«, sagte Brendan, fügte dann jedoch hinzu: »Aber zur Gewohnheit darf das nicht werden, wo wir doch unsere Rationen schon reichlich knapp bemessen haben.«
»Wird es schon nicht«, beruhigte ihn Emily.
An den ersten Abenden saßen die Overlander noch länger um die lodernden Feuer herum. Man unterhielt sich über den vergangenen Tag, tauschte
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