Verheißenes Land
dass wir schon so früh in Independence waren und Zeit genug hatten, das Einschirren zu üben«, sagte Brendan, der an diesem Morgen in bester Stimmung war. »Sieh doch nur die beiden Burschen da drüben! Die scheinen ja keinen blassen Schimmer zu haben, wie sie ihren Haufen Geschirr entwirren sollen, geschweige denn den Ochsen anlegen.«
Liam blickte zu den beiden Männern hinüber, die ihre liebe Not mit dem Geschirr hatten. Wahrscheinlich hatten sie es nach dem Ausspannen nicht sorgfältig zusammengelegt und nun hatten sie Schwierigkeiten, das Durcheinander von Zügeln, Stricken und Seilen zu entwirren. »Ja, aber ein Knochenjob bleibt es auch so«, sagte er und wischte sich einige Schweißtropfen von der Stirn. »Kein Wunder, dass Palmer uns schon in aller Herrgottsfrühe weckt. Andernfalls kämen wir nie im Leben pünktlich um halb sieben los!«
»Da hast du allerdings recht. Ich würde sagen, wir gehen den beiden gleich mal ein wenig zur Hand, wenn wir unsere Ochsen an der Deichsel haben«, schlug Brendan vor.
Liam nickte. »Wäre wohl ganz angebracht. Die schaffen das im Leben nicht alleine. Und wer weiß, wann wir mal auf anderer Leute Hilfe angewiesen sind.«
Als sie ihre sechs Ochsen sicher im Geschirr stehen hatten, gingen sie hinüber und boten den Männern ihre Hilfe an. Die beiden Fremden stellten sich als Jason und Hiram Larkin vor und nahmen die Hilfe mit großer Erleichterung an.
Wie Liam und Brendan erfuhren, waren sie Brüder und einige Jahre älter als sie selbst. Sie stammten aus Cork, hatten Irland schon vor der großen Hungersnot verlassen und sich einige Jahre in New Jersey als Fabrikarbeiter durchgeschlagen.
»Und wo soll es jetzt hingehen?«, wollte Brendan wissen, nachdem sie ihnen gezeigt hatten, wie Riemen und Ketten anzulegen waren. »Oregon oder Kalifornien?«
»Kalifornien natürlich!«, sagte Hiram Larkin, der ältere der beiden Brüder.
»Und dort erst einmal auf die Goldfelder«, fügte Jason sofort hinzu.
»Das ist noch längst nicht entschieden, Jason, das weißt du genau«, erwiderte Hiram. »Wir haben viel zu hart dafür gearbeitet, uns die Ausrüstung für den Treck kaufen zu können, um es für irgendein zweifelhaftes Stück Land aufs Spiel zu setzen, nur weil es dort angeblich Gold gibt.«
Jason blickte seinen Bruder grimmig an. »Mann, so eine Chance kriegen wir kein zweites Mal, Hiram! Du hast doch selbst in der Zeitung gelesen, wie viel Gold die Leute im Sacramento-Tal aus den Bächen und Berghängen holen! Wir wären schön blöd, wenn wir nicht auch unser Grundstück abstecken und Gold waschen würden.«
»Ich habe doch gesagt, dass wir darüber noch reden werden«, brummte Hiram. »Also lieg mir nicht ständig in den Ohren damit. Erst einmal müssen wir den Treck hinter uns bringen.«
Der jüngere der Brüder grinste. »Jaja, ich weiß. Aber ich überzeuge dich schon noch, du wirst sehen! Zeit genug habe ich ja.«
Brendan seufzte. »Die Goldfelder würden mich auch reizen. Das ist einfach die Chance für uns, zu Geld zu kommen! Na ja, mal sehen, wie sich die Dinge bei uns entwickeln«, sagte er und zwinkerte Jason zu.
»Ich glaube nicht, dass Éanna da mitspielt«, sagte Liam skeptisch. »Und Emily ist von der Vorstellung auch nicht sonderlich angetan, um es mal vorsichtig auszudrücken. Außerdem ist sie nach allem, was wir über Oregon gehört haben, ganz begeistert von der Idee, lieber dort zu siedeln.«
»Und was ist mit dir?«
Liam wiegte den Kopf unschlüssig hin und her. »Manchmal denke ich, dass es sich vielleicht doch lohnt, es eine Zeit lang als Goldgräber zu versuchen. Aber wenn ich höre, wie unverschämt teuer Verpflegung, Unterkunft und so weiter in den Camps sind, dann weiß ich nicht, ob es das Risiko wert ist.«
»Aber einen Versuch doch allemal!«, redete Brendan ihm zu. »Also schau, ob du Emily nicht umstimmen kannst. Wenn du sie herumkriegst, wird auch Éanna mitmachen. Aber red ihr erst mal ganz unauffällig zu, damit sie nicht gleich zu Éanna läuft.«
»Na, ich weiß nicht«, erwiderte Liam skeptisch. »Ich bin ja selbst nicht einmal sicher, ob ich das überhaupt will.«
Brendan bedrängte ihn nicht weiter, war jedoch fest entschlossen, die Sache noch nicht aufzugeben. Vorerst aber war das Thema beendet. Als sie wenig später zu Éanna und Emily zurückkehrten, warteten schon dampfender Kaffee und das Frühstück auf sie, über das sie sich heißhungrig hermachten.
Um kurz nach sechs begann Captain Palmer hoch zu Pferd mit
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