Verheißenes Land
Platte River überqueren müssen«, sagte Peer Erickson am Abend. Er studierte täglich sein Handbuch und die Informationen von Captain Henderson. »Mit ihnen können wir die Wagen abdichten. Es wäre gut, wenn wir in den nächsten Tagen noch mehr Bisons erlegen würden.«
Sie beschlossen, von nun an jeden Morgen schon bei Dämmerung einen Jagdtrupp loszuschicken, der Ausschau nach weiteren Herden halten sollte. Der Erfolg der Jäger blieb jedoch weiterhin bescheiden und im Laufe der folgenden Woche erlegten sie gerade einmal sieben weitere Buffalos. Dies hatte allerdings weniger mit der mangelnden Treffsicherheit der Jäger zu tun, sondern lag vor allem an dem schwieriger werdenden Gelände.
Für die Reisenden waren aber nicht nur die Häute und das Fleisch der Bisons von großem Nutzen, sondern auch der Mist der Tiere, der sich überall auf der Prärie fand. Schon seit geraumer Weile war auf dem Trail kaum noch Brennholz zu finden. Dieses ersetzten nun die dicken Fladen, die von den Kindern und Frauen entlang der Route in Weidenkörben eingesammelt wurden. Anfangs noch mit spitzen Fingern. Aber nachdem sie festgestellt hatten, dass die getrockneten Mistfladen der Bisons keinen Geruch abgaben, auf den Feuerstellen prächtig brannten und auch dabei keine üblen Düfte entwickelten, griff jeder beherzt zu, wenn er Dungfladen entdeckte.
Auf diese Art richteten sich die Reisenden stets besser auf dem Treck ein. Trotz der täglich anspruchsvoller werdenden Strecke war die Stimmung gut und die meisten Overlander hatten sich mit der immer gleichen Routine abgefunden. Doch mitten in dieser Idylle begann der Trail seinen bitteren Tribut zu fordern. Über den Tod von Jeremiah Fennmore hatte keiner der Overlander auch nur eine Träne vergossen. Doch der nächste Todesfall ging ihnen allen zu Herzen.
Die siebenjährige Jessica war die jüngste Tochter der Farmersfamilie Morrison aus Iowa. Das fröhliche Mädchen musste sich während des schweren Sturms erkältet haben und kränkelte schon seit jener Nacht. Die Hausmittel, die ihre Eltern ihr verabreicht hatten, waren jedoch ebenso wirkungslos geblieben wie die Medizin, die der Armeearzt ihnen in Fort Kearny mitgegeben hatte. Auf den Husten und Schnupfen folgte Fieber, das Jessicas geschwächten Körper immer mehr entkräftete und ihrem jungen Leben schließlich ein Ende setzte.
Peer Erickson bemühte sich, der kleinen Jessica ein würdiges Begräbnis zu geben. Er ordnete eine feierliche Bibellesung an und ließ den gesamten Zug bekannte Kirchenlieder singen. Abseits des Trails wurde ein tiefes Grab ausgehoben, denn Erickson wollte verhindern, dass die Kojoten der Prärie den Leichnam des kleinen Mädchens wieder ausgraben und zerfleischen konnten. Zur Genüge war der Zug an solchen Grabstellen, die man nicht tief genug angelegt und nicht ausreichend mit Steinen beschwert hatte, vorbeigezogen. Zwar hatte Peer Erickson in seinem Handbuch die Empfehlung gefunden, Tote direkt unter dem Trail ohne jede Steinaufhäufung und ohne ein Kreuz zu begraben, weil dies die sicherste Methode sei, das Ausgraben durch wilde Tiere zu verhindern. Aber er hatte es nicht über das Herz gebracht, dies den trauernden Eltern vorzuschlagen.
Der Tod von Jessica erschien Éanna und allen anderen des Wagenzuges im Rückblick als Auftakt einer scheinbar nicht enden wollenden Folge von Missgeschicken und Unheil, von denen ihr Treck in den nächsten Wochen heimgesucht wurde.
Dass der Wagen der Larkin-Brüder zwei Tage später mit Achsenbruch liegen blieb, machte wie zwei geborstene Räder bei anderen Reisenden einen längeren Aufenthalt zur Reparatur notwendig und war schon misslich genug. Schwerer wog aber, dass ein Overlander von dem Hufschlag eines austretenden Pferdes so unglücklich am Bein getroffen wurde, dass ihm das Tier dabei den Unterschenkel brach und eine große offene Wunde hinterließ. Der Bruch wurde mit Lattenstücken geschient und die Wunde so gut es ging gesäubert und verbunden. Doch als Wundbrand einsetzte, war dem Mann nicht mehr zu helfen. Auch er gehörte bald zu den Unglücklichen, deren Gräber in einer unablässigen Kette den Trail nach Westen säumten.
Sein Tod, der zweite in so kurzer Zeit, traf die Gemeinschaft hart. Besonders schwer lastete er auf denjenigen unter ihnen, die mittlerweile von Zweifeln gequält wurden, ob sie recht daran getan hatten, sich auf dieses gefährliche Unternehmen einzulassen. Insbesondere die Mütter von kleinen Kindern und die drei
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