Verheißenes Land
schüttelte den Kopf. »Wer weiß, was weiter im Westen auf uns wartet! Ich will nicht noch eines unserer Kinder verlieren – oder dich. Lass uns umkehren.«
»Das kommt nicht infrage!«, beschied er.
Martha presste die Lippen zusammen und wandte sich wortlos ab.
Zwei Tage nach Sarah Kendalls Tod, als der Trail scharf aufwärts stieg und dann über eine zwanzig Meilen weite Hochfläche führte, sahen die ersten Männer und Frauen ihres Wagenzuges den gefürchteten Elefanten.
»Sie sind dem Elefanten begegnet«, war unter Overlandern eine Redewendung für diejenigen unter ihnen, die seelisch am Ende waren und plötzlich jeden Mut verloren, jemals das verheißene Land im Westen zu erreichen. Von einem Tag auf den anderen gaben sie auf und wurden zu Umkehrern, in der Sprache der Trecker auch Go-backers oder Turnovers genannt.
In ihrem Treck waren es drei Familien, die vor dem riskanten Steilhang, der von der Hochfläche hinunter ins Tal führte, dem Elefanten begegneten und sich zur Umkehr entschlossen.
Martha Morrison wollte sich ihnen unbedingt anschließen, doch ihr Mann weigerte sich beharrlich, auf ihr Verlangen einzugehen. »Wir geben nicht klein bei, sondern halten durch! Das sind wir unserer seligen Jessica schuldig.«
Es sollte anders kommen. Denn am Abend desselben Tages stand der Wagen der Morrisons lichterloh in Flammen. Während die Männer und Frauen in ihrer Nähe sofort aufsprangen, um das Feuer zu löschen, rührte sich Martha nicht vom Fleck. Regungslos und mit ausdruckslosem Gesicht stand sie abseits und starrte in die Flammen, die sich durch die Leinwandplane fraßen. In der Hand hielt sie den verkohlten Reisigbesen, mit dem sie ihren eigenen Wagen in Brand gesetzt hatte.
Ihrem verzweifelten Mann blieb nun nichts anderes mehr übrig, als seinen Widerstand aufzugeben und sich dem Verlangen seiner Frau zu fügen. Am nächsten Morgen trennten sich die Morrisons vom Treck und beeilten sich, Anschluss an die anderen Umkehrer zu finden. Zum Glück war das Feuer früh genug bemerkt worden, sodass der Prärieschoner bis auf die Plane und einige angeschwärzte Seitenbretter keinen Schaden genommen hatte. Auch der überlebenswichtige Proviant war Gott sei Dank noch brauchbar.
Beklommen sah Éanna dem einsamen Gespann mit den geschlagenen Morrisons nach und fragte sich, wer wohl der Nächste sein mochte, der von Unglück heimgesucht wurde oder innerlich unter den immer größer werdenden Belastungen des Trails zerbrach.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Der Abstieg über den Steilhang in das Tal des North Platte stellte die Overlander vor eine schwere und äußerst gefährliche Aufgabe, denn als die ersten Wagen den Rand der Hochebene erreichten, blickten die Reisenden auf ein erschreckendes Gefälle von mindestens 45 Grad.
Einen schweren Prärieschoner bergauf zu ziehen, war für die kräftigen Ochsen zwar harte Arbeit, aber kein sonderlich großes Problem. Wenn die Steigung allzu steil ausfiel, konnte man die Zugtiere zudem mit einer improvisierten Seilwinde von oben unterstützen.
Doch wenn es derart steil abwärts ging, konnte man die Ochsen unmöglich an der Deichsel lassen, denn die schweren Wagen würden sie unerbittlich nach unten schieben. Die Prärieschoner besaßen zwar eine Handbremse, die zumeist an den Hinterrädern saß, sodass der Treiber sich mit aller Kraft an sie hängen konnte. Doch damit vermochte man die Wagen keinesfalls an einem Steilhang abwärts unter Kontrolle zu halten.
Die einzig sichere Methode bestand darin, die Räder zu blockieren, indem man sie an die Wagenkästen kettete, und die Wagen dann langsam mit Seilen hinunterzulassen. So machten sie es dann auch. Wie die letzte Flussüberquerung ging auch diese heikle Aktion nicht reibungslos vonstatten. Einer der Wagen riss sich los, stürzte berstend und splitternd den Hang hinunter und verstreute dabei all seine Fracht. Doch zu ihrer großen Erleichterung kam an diesem Tag keiner der Overlander zu Schaden. Sogar die Baumwagen der Seligmanns überstanden das schwierige Abseilmanöver. Der gute Ausgang dieser schwierigen Etappe machte allen Mut und gab ihnen die Hoffnung, dass nach den Tragödien der vergangenen Tage das Unglück nicht länger wie Pech an ihrem Treck klebte.
Kurz hinter dem Fuß des Berghanges sahen die Overlander, dass sich der mühsame und schweißtreibende Abstieg wahrlich gelohnt hatte, denn dort wartete eine idyllische bewaldete Schlucht auf sie, in der sie ihr Lager aufschlugen. Der Duft von
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