Verheißung Der Nacht
wiedergegeben wurden, so besaßen sie doch alle einen Funken Wahrheit. Es schien gut möglich, dass derjenige, der diese Sachen verbreitete, kein Fremder war. Sie Hass te diesen Gedanken zwar, aber sie musste sich ihm stellen.
Es musste einen Menschen geben, der zu jeder Zeit in ihrer Nähe war und ganz genau wusste , was sie tat, wann und wie.
Und dann war da die verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihren Schwierigkeiten und den Problemen, die ihre Urgroßmutter zu erdulden hatte. Sie bekam eine Gänsehaut, wenn sie daran dachte, dass jemand ihr Leben manipulierte, dass jemand Ereignisse und Umstände so arrangierte, dass das gleiche, tödliche Ergebnis dabei herauskam. Welchen Grund konnte dieser Mensch nur haben?
Ihr fielen auf den ersten Blick nur zwei Gründe ein. Der erste war Arroganz, ein Bedürfnis, Gott zu spielen, um einen überspannten Trieb zu befriedigen, ihr angst zu machen, wenn sie die Gemeinsamkeiten erkannte. Der zweite Grund war, es so aussehen zu lassen, als würde sie in Lavinias Spuren treten und versuchen, den Mord, den man Lavinia nie hatte nachweisen können, nachzuahmen.
Es gab nur einen Menschen, der eine bessere Möglichkeit hatte als alle anderen, die Ereignisse zu lenken und die Parallele zu schaffen, auf die ihre Tante Beck sie aufmerksam gemacht hatte.
Es gab einen Mann, der den triftigsten Grund hatte, die öffentliche Meinung gegen sie aufzuwiegeln, der es darauf anlegen würde, sie in der Öffentlichkeit als unmoralisch und eines Mordes schuldig dastehen zu lassen.
Der Grund dafür war Geld.
Der Mann war Reid.
Cammie fuhr nicht nach Hause, sie lenkte ihren Wagen in Richtung auf das Fort. Sie würde keine Ruhe geben, bevor sie nicht eine Antwort auf ihre Vermutungen gefunden hatte. Und wenn diese Antwort ihr Herz beruhigen würde, so gab es einige Dinge, die Reid über Lavinia und Justin erfahren sollte.
Niemand öffnete ihr, als sie an der Tür läutete. Sie ging um das große Haus herum, um nachzusehen, ob Reids Jeep in der Garage stand. Erst dort bemerkte sie den Geruch nach Rauch, der in der Luft lag, wie ein graublauer Nebel stieg er in der Dämmerung auf.
Sie blieb stehen und sah sich um. Im Haus schien alles in Ordnung zu sein, auch in der Garage und der angrenzenden Werkstatt. Der dicke Rauch schien von einer Stelle im hinteren Teil des Grundstückes aufzusteigen, in der Nähe des Waldes. Mit besorgt gerunzelter Stirn ging Cammie in diese Richtung.
Die Luft war kühl, doch aus dem Boden stieg noch eine Woge duftender Wärme auf, eine Erinnerung an die Sonne des Tages. In der Stille hörte man das Summen der Insekten und den Frühlingsgesang der Baumfrösche. Der Wald war voller Schatten in der aufkommenden Dunkelheit. Tief atmete Cammie den Duft von Geißblatt und feuchter Erde ein, von Gras und Büschen und auch den beißenden Geruch nach Rauch. Es war beinahe genug, um ihr den Frieden zurückzugeben. Beinahe.
Zuerst sah sie den roten Feuerherd. Es war eine ziemlich große Flamme, die hell brannte. Der Boden um das Feuer herum war freigemacht worden, um zu verhindern, dass sich das Feuer durch Funken und kleine brennende Holzstücke ausbreitete. Ein Mann trat aus dem Schatten und warf einen Armvoll trockener Äste ins Feuer. Als die Flamme aufleuchtete und das Holz knisterte und Funken zum Himmel stiegen, warf das Feuer einen goldenen Schein auf Reids Gesicht, seine Arme und seinen nackten Oberkörper.
Er räumte das Unterholz unter einer Baum reihe weg, die um das Fort herum gepflanzt worden waren. Eine Axt und eine kleine Kettensäge lagen neben ihm. Sie hätte wissen sollen, dass er Kontrolle hatte über das, was hier geschah.
Mit schnellen Schritten ging sie weiter, bis sie im Schein des Feuers stand. Dort blieb sie stehen und wartete.
»Ich dachte«, sagte er halb belustigt, während er nach noch mehr Ästen griff, » dass wir vernünftig handeln sollten und nicht zusammen gesehen werden wollten. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich mich vorher gewaschen.«
Cammie hatte ihre Abmachung beinahe vergessen, oder eher, sie war von anderen Dingen verdrängt worden. »Ich werde nicht lange bleiben, ich musste nur mit dir reden.«
»Ich beklage mich doch gar nicht.« Mit einem Arm deutete er auf die freie Fläche hinter sich. Er warf den Armvoll Holz ins Feuer, dann ging er zu dem Baum hinüber, an dessen Ast er sein Hemd gehängt hatte. Er schlug es aus, dann legte er es auf den Boden unter eine große Kiefer. Als sie zögernd näher trat,
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