Verheißung Der Nacht
ihrer Küche tat. Und sie hatte es irgendwie als selbstverständlich hingenommen, dass ihm nicht das kleinste Geräusch und keine Bewegung in seiner Umgebung entging. In ihrer Einbildung hatte sie sich vorgestellt, dass er immer wissen würde, wann sie in seiner Nähe war. Wie töricht von ihr.
Sie hatte versucht, ihm das zu sagen, oder vielleicht hatte sie es ja auch nur geträumt. Sie wusste es nicht wirklich, ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er in Watte gehüllt.
»Um Himmels willen, Cammie! Warum bist du aufgestanden?«
Cammie wandte sich um, als ihre Tante ins Zimmer kam und den Duft von Zwiebeln und gebratenem Hähnchen mit sich brachte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Es geht mir gut, ich war es leid, immer im Bett zu liegen.«
»Du bist verletzt. Du hast einen großen Schnitt in deinem Körper.«
»Ich glaube, so schlimm war es gar nicht«, wehrte Cammie ab.
»Es war schlimm genug! Und das hast du Reid Sayers zu verdanken«, gab ihre Tante empört zurück. »Wenn ich daran denke, dass er so auf dich losgegangen ist, dann stockt mir das Herz. Dein Onkel hat versucht, dich zu warnen. Hoffentlich wirst du wenigstens jetzt auf ihn hören.«
»Es war ein Unfall, das ist alles.«
»Er hätte dich umbringen können! Du weißt nicht einmal, ob er das nicht absichtlich getan hat, nicht, nachdem Keith so kaltblütig erschossen worden ist.«
»Reid würde mir niemals absichtlich weh tun«, protestierte Cammie und versuchte, ihrer Stimme einen überzeugenden Klang zu geben.
»Wie du ihn auch noch verteidigen kannst, ist mehr, als ich je begreifen werde. Ich war wirklich froh gestern Abend , als er endlich verschwunden war. Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich im selben Zimmer sein musste wie er.«
»Mach dich doch nicht lächerlich«, fuhr Cammie sie scharf an.
»Du wirst es nicht mehr lächerlich finden, wenn er noch einmal hinter dir her ist. Solche Sachen passieren, Cammie, man sieht es immer wieder im Fernsehen und liest es in den Zeitungen. Es gibt Menschen auf dieser Welt, die würden dich kaltblütig umbringen, so einfach, wie sie dich ansehen!«
»Reid gehört nicht zu diesen Menschen.« Sie kehrte ihrer Tante den Rücken zu und ging zum Schrank, aus dem sie das erste Kleidungsstück hervorholte, das ihre Finger griffen, eine Jeans.
Ihre Tante folgte ihr. »Was tust du da? Geh sofort wieder in dein Bett!«
Cammie holte ein blaues Hemd aus dem Schrank und wandte sich dann zu ihrer Tante um. Mit entschlossenem und gleichzeitig traurigem Blick sagte sie: »Du bist die Schwester meiner Mutter und meine einzige Blutsverwandte, Tante Sara, und ich liebe dich. Aber ich bin schon längst aus dem Alter heraus, in dem ich mir sagen lasse, was ich tun soll. Es geht mir gut. Warum gehst du nicht nach Hause?«
Das Gesicht ihrer Tante fiel in sich zusammen, sie ging zum Bett, setzte sich und starrte dann auf ihre Hände.
Cammie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, warf sie die Sachen auf das Bett und setzte sich dann neben ihre Tante. Sie legte ihr den Arm um die Schultern. »Ich wollte dir nicht weh tun«, versicherte sie ihr. »Du kannst bleiben, wenn du es möchtest.«
Sara Taggart riß sich zusammen, sie hob den Kopf und versuchte zu lächeln, obwohl ihre Augen ganz rot waren. »Das ist es nicht. Es ist ... ach, es ist nicht so wichtig. Ich bin ganz einfach nur dumm.«
Cammie zögerte, unsicher, weil sie nicht wusste , ob ihre Tante die Wahrheit sagte. Doch es war nie ihre Art gewesen, neugierig zu sein, und sie war auch nicht sicher, ob sie sich jetzt noch mit einem anderen Problem würde beschäftigen können, wie klein es auch immer sein mochte.
»Ich bin wirklich eine Hexe, so auf dich loszugehen, wo du mich so gut versorgt hast. Sag bloß, dieser wundervolle Duft, der von unten aus der Küche kommt, ist dein berühmtes Hähnchen! Ich bin halb verhungert!«
Sie hatte ihre Tante ablenken wollen, doch als sie sich angekleidet hatte und dann nach unten ging, verspürte sie wirklich Hunger. Das Hähnchen mit der Garnelensauce, Spargel und Krautsalat, die ihre Tante auf den Tisch gestellt hatte, rochen köstlich. Sie nahm ihre Gabel, um die Speisen in Angriff zu nehmen.
Dann erst fiel ihr Blick auf ein Küchenutensil, das ganz an den Rand der Anrichte geschoben worden war, mit einer Anzahl Tüten und Dosen drumherum. Sie starrte sekundenlang darauf, ehe ihr klar wurde, was sie sah.
Eine Friteuse.
Ihr Appetit schwand ganz plötzlich, als ihr in der Erinnerung wieder der Geruch von
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