Verheißung des Glücks
von keinem Menschen betreten werden darf, der deinen Nachnamen trägt.«
»Du würdest uns beiden viel Zeit ersparen, wenn du nur für einen Augenblick den Mund halten könntest.«
Lincoln ging zum Bett und ließ sich mit dem Ausdruck größter Verzweiflung darauf nieder. Er bedeckte die Augen mit den Händen und zählte langsam bis zehn, dann bis zwanzig. Ian blieb, wo er war, und wartete unbeeindruckt, bis Lincoln ihn wieder ansah.
»Ich bin nicht nur Melis Onkel«, erklärte er. »Ich bin auch ihr Freund. Das musst du wissen, sonst verstehst du nicht, was ich dir sagen will.«
»Warum behältst du es nicht für dich und lässt mich endlich in Frieden?«, entgegnete Lincoln.
Ian ging nicht weiter darauf ein. »Ich weiß nicht, ob man es dir je gesagt hat, aber meine Mutter starb etwa ein Jahr nach meiner Geburt. Ich habe also keinerlei Erinnerung an sie.«
»Nein, davon wusste ich nichts«, antwortete Lincoln ein wenig verwirrt.
Ian nickte und fuhr fort. »Als du weg warst, tauchte plötzlich unsere Schwester auf. Sie war die Älteste von uns allen und wurde für mich so etwas wie eine Ersatzmutter. Ich war von da an mehr in Kregora als zu Hause, und nach Melis Geburt ging ich fast gar nicht mehr heim zu meinem Vater und meinen Brüdern. Die anderen waren an Säuglinge und Kleinkinder gewöhnt. Schließlich kamen über die Jahre immer mehr dazu. Aber ich als der Jüngste von uns hatte nie erlebt, wie es ist, ein Geschwisterchen zu bekommen. Ich konnte mich von Kimberlys Tochter gar nicht mehr losreißen.«
»Werde ich nun bald erfahren, was du mir eigentlich sagen willst?«
»Ich will damit sagen, dass ich Melissa besser verstehe als meine Brüder, weil wir schon unser Leben lang Freunde sind. Und wie das bei guten Freunden so ist, weiß ich meist, was sie fühlt, ohne dass sie es mir erst sagen muss.« »Und?«
»Und deshalb wusste ich auch, dass es schon seit eurer ersten Begegnung ein Band zwischen euch beiden gab. Es war vielleicht noch keine Liebe, aber es war ... irgendein Gefühl. Schon als Meli vom Teich zurückkehrte, wusste sie, dass sie dich heiraten wollte. Und dir ging es genauso. Deshalb bist du am Tag darauf hier erschienen und hast Lachlan MacGregor darum gebeten, seiner Tochter den Hof machen zu dürfen. Ich bin weder blind noch taub, und auf der Fahrt nach London sprach Meli nur von dir. Was immer euch auch verband, es war zu stark, um sich einfach wieder in Lu f t aufzulösen. Selbst als sie ewig warten musste, bis du sie in London besuchen kamst, und sie schon fast die Hoffnung verloren hatte, dich noch einmal wiederzusehen, blieb diese innere Verbindung bestehen.«
Lincoln setzte sich auf und sah Ian fragend an. »Alles, was du mir da erzählst, weiß ich längst.«
»Ich wollte dir nur sagen, dass ich es auch weiß. Und ich wünsche mir, dass du Meli heiratest. Aus welchem Grund auch immer - aber ihr beide habt vom ersten Augenblick an geahnt, dass ihr füreinander bestimmt seid. Vielleicht kann man es Instinkt nennen. Als ich herausfand, wer du bist, vergaß ich das eine Zeit lang. Aber ich sage dir, Mann, ich stehe auf Melis Seite und damit natürlich auch au f deiner. Du stehst nun nicht mehr allein gegen alle anderen. Also gib die Hoffnung nicht auf und lass dich von ihnen nicht unterkriegen.«
»Unter den gegebenen Umständen wird es dich nicht wundern, dass es mir schwer fällt, dir zu glauben.«
Ian seufzte. »Tja, das dachte ich mir schon. Aber denk daran, wenn du einmal glaubst, du würdest es nicht durchstehen. Du schaffst das schon. Außerdem sind durchaus nicht alle meine Brüder gegen dich. Ja, ich weiß, auch das wirst du nicht glauben. Manche von ihnen hoffen inbrünstig, dass du schon in den nächsten Stunden die Beherrschung verlierst und anfängst zu toben. Aber andere hätten gar nichts dagegen, wenn sich herausstellt, dass sie sich in dir getäuscht haben.«
Lincoln unterdrückte ein Schnauben. Er wusste nicht, was er von Ians Versuch, ihm Mut zuzusprechen, halten sollte. Vielleicht wartete der MacFearson nur darauf, dass er sich eine Blöße gab. Aber den Gefallen würde er ihm nicht tun. Fast gegen seinen Willen fühlte Lincoln sich dennoch ein wenig zuversichtlicher. Danken würde er Ian dafür natürlich nicht — selbst wenn es ihm nun gelingen sollte, noch ein paar Tage durchzustehen.
Zweiundvierzigstes Kapitel
»Hältst du es für klug, ihn so weit von uns weg und dann auch noch mitten zwischen diese wilde Horde zu setzen?«, flüsterte Lachlan
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