Verheißung des Glücks
erhielt stets dieselbe Antwort von ihm: Er wisse nicht, wann die Herrschaften zurückkehren würden.
Schließlich musste Lincoln sich eingestehen, dass man ihn — aus welchem Grund auch immer — mied. Melissa wollte ihn wohl nicht mehr sehen und legte offensichtlich keinen Wert mehr darauf, dass er ihr den Hof machte. Doch warum sagte sie ihm das nicht einfach ins Gesicht und erlöste ihn damit aus der quälenden Ungewissheit? Das Warten auf ein Zeichen von ihr, das Gefühl, zur Untätigkeit verdammt zu sein, zerrte an Lincolns Nerven. Immer öfter suchte er Trost im Alkohol, um wenigstens ein paar Stunden lang nicht an seine verlorene Liebe denken zu müssen.
Nicht allzu weit von seinem Stadthaus entfernt gab es eine durchaus anständige Taverne. Lincoln hatte dort in den vergangenen Jahren mit einer lebhaften Gruppe gut betuchter Freunde so manchen feuchtfröhlichen Junggesellenabend verbracht. Man kannte ihn dort mit Namen und eines Abends brachte der Barmann ihn sogar nach Hause. Da Lincoln sich nur sehr vage an den Heimweg erinnerte, konnte er sich vorstellen, wie nötig er diese Unterstützung gehabt hatte. Er verschlief fast den gesamten nächsten Tag.
Abends nahm er bereits wieder seinen angestammten Platz in dem Lokal ein. Der Barmann, Patrick, oder Paddy, wie ihn die meisten nannten, verdrehte die Augen, als er Lincoln durch die Tür kommen sah. Wortlos brachte er ihm eine Flasche Brandy an den Tisch. Lincolns frühere Trinkgenossen hatten ihn immer gerne damit aufgezogen, dass gerade er als Schotte einen Bogen um den allseits so beliebten Scotch machte.
Paddy hatte bereits am vergangenen Abend versucht, aus Lincoln herauszubekommen, was ihm solchen Kummer bereitete. Der Barmann wusste aus Erfahrung, wie sehr es die meisten Gäste tröstete, wenn sie ihm ihr Herz ausschütten konnten. Doch Lincoln war ein schweigsamer Zecher, ganz gleich, wie viele Gläser er sich im Laufe des Abends durch die Kehle rinnen ließ. Ernsthaft betrunken zu werden, war schließlich harte Arbeit. Und er hoffte, nach ein paar strapaziösen Abenden hingebungsvoller Betätigung das ganze Debakel hinter sich lassen zu können. Das musste doch wohl möglich sein. Und dann galt es nur noch, eine Frau zu finden ...
Als Lincoln an jenem Abend die Taverne betrat, ging es dort schon recht lebhaft zu. Fünf Tische waren bereits gut besetzt, wenn es auch hier und da noch einzelne leere Plätze gab. Am Tresen standen ebenfalls ein paar Männer. Mit Erleichterung stellte Lincoln fest, dass er keinen von ihnen kannte. Ihm stand der Sinn absolut nicht nach irgendwelchen belanglosen Unterhaltungen. Er wollte sich nur still der Aufgabe widmen, ein Glas nach dem anderen zu leeren, und machte sich sofort ans Werk.
Da er mit dem Rücken zur Tür saß, bemerkte er die nächste Gruppe, die hereinkam, zunächst nicht. Die meisten anderen Gäste hielten es jedoch angesichts der Neuankömmlinge für weise, das Lokal zu wechseln. Wenn eine so große Anzahl finster dreinblickender, kräftiger junger Männer gleichzeitig eine Taverne betrat, führte das meist zu Schwierigkeiten, denen man besser aus dem Weg ging.
Lincoln blickte erst widerstrebend auf, als sich einer der langen Kerle an einem Tisch zu seiner Linken niederließ. Eigenartigerweise glich der Mann dem ältesten der MacFearson-Brüder wie ein Ei dem anderen. Die Haarfarbe passte nicht ganz, aber die Gesichtszüge kamen Lincoln merkwürdig bekannt vor. Er musste sich allerdings eingestehen, dass nach all den Jahren seine Erinnerung an diesen Haufen streitlustiger Wilder, die keinerlei Manieren am Leib hatten, etwas verblasst war.
Das unbestimmte Gefühl, den Mann zu kennen, hatte er wohl eher dem Alkohol zuzuschreiben. In letzter Zeit meinte es das Schicksal wirklich nicht gut mit ihm. Wenn nun auch noch die MacFearsons auftauchten, würde das dem Fass den Boden ausschlagen. Kein Mensch konnte so viel Pech auf einmal haben.
»Ich hätte ihn nicht wiedererkannt«, tönte es beinahe fröhlich. Lincoln wandte sich dem Sprecher zu seiner Rechten zu. Er wusste sofort, wen er vor sich hatte. Verdammt!
»Ich auch nicht. Aber als er aus dem Hochland wegging, war er ja noch feucht hinter den Ohren.«
Lincoln sah sich ungläubig um. Fünf von ihnen standen mit dem Rücken zur Bar und musterten ihn. Ein Sechster saß sogar auf dem Tresen und ließ locker die Beine baumeln. Der arme Paddy stand hilflos am anderen Ende der Bar und schielte zur Tür des Hinterzimmers, wohin er beim ersten Anzeichen
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