Verheißung des Glücks
kann ich es kaum ändern. Doch ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ich aufhöre, mich mit den schlimmsten Befürchtungen zu quälen, und endlich herausfinde, wie Melissa wirklich über die ganze Sache denkt.«
Neunzehntes Kapitel
Herauszufinden, was Melissa dachte, war kein leichtes Unterfangen. Zunächst musste Lincoln feststellen, dass ihm wieder einmal der Zutritt zum Haus der Familie St. James verwehrt wurde. Damit hatte er schon gerechnet. Er ärgerte sich nur ein wenig, dass er nicht schon viel früher dorthin zurückgekehrt war, denn der Butler gab sich mittlerweile deutlich mitteilsamer. Offenbar war dem getreuen Diener der Duchess die Art, in der er gewisse Anweisungen erhalten hatte, ganz und gar zuwider.
Lincoln bemerkte hinter der üblichen Steifheit des Mannes einen beleidigten Unterton. »Man hat mir gesagt, ich müsse mich nach einer neuen Nase umsehen — genauso drückte der junge Schotte sich aus —, wenn ich Sie noch einmal durch diese Tür ließe. Die junge Dame hingegen scheint nicht zu wissen, dass Sie hier nicht mehr willkommen sind. Sie bat mich, Ihnen ihre Pläne für den Abend mitzuteilen, falls sie bei Ihrem Besuch gerade außer Haus wäre.«
Nun wusste Lincoln wenigstens, wo Melissa den Abend verbringen würde. Sie ging zu einem festlichen Dinner in einem der besten Häuser Londons. Zu Lincolns Freude zog seine Tante, als er ihr das mitteilte, aus dem Stapel von Briefen, die in den letzten Tagen eingegangen waren, eine Einladung zu eben diesem Abendessen. Eine Garantie, dass er dort auch mit Melissa reden konnte, bedeutete das allerdings noch lange nicht. Möglicherweise begleitete einer ihrer Onkel Melissa zu dieser Einladung, und wenn Lincoln sich ihr auch nur auf ein paar Schritte näherte, verstieß er damit eindeutig gegen die Anweisungen der MacFearsons. Was dann passieren würde, wünschte er nicht einmal seinem ärgsten Feind.
Doch er hatte keine Wahl. Er musste unbedingt herausfinden, ob sie sich den Wünschen ihrer Onkel fügte. Wenn sie ihm jedoch nur den kleinsten Anlass gab, anzunehmen, dass sie ihn noch immer haben wollte, würde nichts in der Welt ihn von ihr fern halten.
Lincoln sah Melissa gleich nach seiner Ankunft im Haus der Gastgeber. Während seine Tante und Edith noch Höflichkeitsfloskeln mit der Frau des Hauses austauschten, ging Lincoln bereits in einen der festlich geschmückten Salons. Und da stand sie. Er kam sich vor wie ein Verhungernder, der unverhofft eine Tafel mit den erlesensten Speisen erblickt. Die Gefühle, die Melissas Anblick in Lincoln auslöste, ließen sich nicht in Worte fassen. Er hatte sie noch viel mehr vermisst, als ihm selbst bewusst gewesen war.
Sie stand, halb durch einige andere Gäste verdeckt, am anderen Ende des Raumes und sprach mit Megan St. James. Im Augenblick schienen die beiden allein zu sein. Lincoln konnte sein Glück kaum fassen.
»Verschwinde, bevor sie dich sieht!«, hörte er Ian MacFearson raunen.
Lincoln wandte sich langsam dem jungen Mann zu, der neben ihm an der Wand lehnte. Er spürte, wie ihn eine unbändige Wut erfasste. Ein bitterer Geschmack machte sich in seinem Mund breit.
Er ließ sich jedoch nichts anmerken, als er nun mit betont ruhiger Stimme fragte: »Was machst du hier? Bewachst du die Tür, für den Fall dass ich komme?«
»Genau. Aber besonders erfreulich ist diese Aufgabe nicht«, gab Ian in düsterem Ton zu. »Und nun mach keine Scherereien und sieh zu, dass du hier wegkommst!«
Glaubte Ian wirklich, er würde gehorsam auf dem Absatz kehrtmachen und das Fest verlassen? Noch dazu, wo er nur die Stimme zu heben brauchte, um Melissas Aufmerksamkeit zu erregen? »Zufällig bin ich hier eingeladen.«
»Zufällig haben wir dir deutlich gesagt, du sollst Meli in Ruhe lassen«, gab Ian zurück. »Dazu gehört auch, dass du deine Einladungen entsprechend auswählst ...«
»Wozu der Aufwand?«, unterbrach Lincoln ihn. »Falls Melissa nichts mehr mit mir zu tun haben will, ist es doch herzlich egal, wenn wir uns gelegentlich bei einer Veranstaltung über den Weg laufen. Sie tut, als wäre ich Luft, und ich schenke ihr keinerlei Beachtung. So wird das im Allgemeinen gehandhabt, wenn zwei Menschen kein Interesse mehr aneinander haben.«
Ians Gesicht spiegelte deutlich den Widerstreit der unterschiedlichsten Gefühle in ihm wider. Schließlich presste er hervor: »Sie weiß aber nichts von unserem Gespräch mit dir.«
»Das dachte ich mir schon, als der junge St. James auf mich losging, weil
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