Verheißung des Glücks
könnte dich nicht mögen?«
»Blödsinn«, tönte nun auch Edith. »Oder verhält es sich vielleicht umgekehrt, und du kannst in Wirklichkeit ihre Familie nicht ausstehen?«
»Ist Melissa denn mit den MacFearsons verwandt?«, meldete sich nun endlich auch Eleanor zu Wort.
Lincoln sah seine Mutter an. Es überraschte ihn nicht, dass sie mit dem Wort >Feind< sofort die MacFearsons verband. Immerhin betraf der alte Streit in gewisser Weise auch sie. Sie wusste davon, selbst wenn sie wahrscheinlich nicht ahnte, wie alles begonnen hatte. Eleanor Ross war sehr blass geworden.
»Ja. Die Ereignisse aus meiner Kindheit holen mich wieder einmal ein«, sagte Lincoln eisig. Dabei entging ihm der gequälte Ausdruck, der über Eleanors Züge huschte. »Die Querelen, die ich mit dieser Familie hatte, als ich noch in Schottland lebte, sind weder vergeben noch vergessen. Jedenfalls gaben mir die MacFearsons deutlich zu verstehen, ich solle die Finger von ihrer Nichte lassen. Deshalb wundere ich mich auch so sehr, dass sie heute hierher gekommen ist.«
»Vielleicht lässt sie sich einfach nicht vorschreiben, wer ihr zu gefallen hat und wer nicht«, gab Henriette zu bedenken. »Oder sie hat mit diesem Zweig der Familie nicht viel im Sinn.«
»Immerhin ist einer ihrer Onkel mit ihr hier in London, und als ich Melissa zum ersten Mal sah, war auch einer von ihnen bei ihr.«
»Aber Melissas Vater hatte doch nichts dagegen, dass du ihr den Hof machst«, überlegte Edith laut.
»Ich glaube, er weiß nichts von dem alten Streit — noch nicht«, antwortete Lincoln. »Aber sicher werden die MacFearsons ihm bei der erstbesten Gelegenheit davon erzählen.«
»Ich verstehe nicht, wie eine so lange zurückliegende Geschichte heute noch so wichtig sein kann.«
Lincoln unterdrückte ein sarkastisches Lachen. »Oh, so etwas ist durchaus möglich, Tante Henry. In gewisser Weise haben mich die Vorfälle von damals zu dem Mann gemacht, der ich heute bin.«
Darauf konnte er beileibe nicht besonders stolz sein — aber das sprach er lieber nicht laut aus. Er wagte es auch nicht, in diesem Augenblick seine Mutter anzusehen, denn ihr gab er einen großen Teil der Schuld an seinem Unglück.
Henriette seufzte. »Vielleicht wollte Melissa dir ja auch nur ihr Bedauern ausdrücken und sich dann zurückziehen. Dein Interesse an ihr kann ihr schließlich nicht entgangen sein.«
War das möglicherweise der Grund für Melissas Besuch gewesen? Ganz von der Hand zu weisen war es sicher nicht. Bestimmt wusste Melissa inzwischen von der Einmischung durch ihre Onkel.
»Aber ich finde es dennoch sonderbar«, fuhr Henriette nachdenklich fort, »dass die Duchess Miss MacGregor nur zu diesem Zweck hierher gebracht haben soll. Immerhin ist sie für das Mädchen verantwortlich. Vielleicht ist das ja ihre Art, uns wissen zu lassen, dass es nichts zur Sache tut, was Melissas Onkel von dir halten. Oder diese Leute haben inzwischen ihre Meinung geändert. Es wäre allerdings einfacher gewesen, wenn die Duchess uns einen Grund für ihren Besuch genannt hätte. Aber betrachten wir es doch einmal von der anderen Seite: Wenn sie nun befürchtet, du hättest, nachdem du erfahren hast, mit wem das Mädchen verwandt ist, kein Interesse mehr an ihr, dann wollte sie das arme Ding wohl nicht in eine peinliche Situation bringen. In diesem Fall wollte sie mit ihrem Besuch nur einmal vorsichtig abklopfen, ob Melissa sich Lincoln Ross Burnett aus dem Kopf schlagen soll oder nicht. Deshalb konnte die Duchess nicht verraten, warum sie gekommen waren. Also, wie steht es nun mit deinen Gefühlen?«
Glücklicherweise hatte Lincoln viele Jahre Übung darin, die manchmal recht verwickelte Ausdrucksweise seiner Tante zu entschlüsseln. Deshalb konnte er ihre Frage sofort beantworten. »Für mich hat sich nichts geändert«, sagte er. »Ich habe es mir nicht anders überlegt. Zwar habe ich ihren Onkeln gesagt, ich würde einen Bogen um jede Frau machen, die mit ihnen verwandt sei, aber das war, bevor ich wusste, dass Melissa ihre Nichte ist. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich von den MacFearsons ins Bockshorn jagen ließ.«
»Nun, das erklärt immerhin deine sonderbare Laune in den letzten Tagen«, meinte Henriette voll Mitgefühl. »Was für eine unerfreuliche Wendung die Dinge doch genommen haben.«
Lincoln lächelte ein wenig. »Glaube mir, ich habe schon viel unschönere Worte dafür gefunden. Aber wie dem auch sei, falls Melissa nun nichts mehr mit mir zu tun haben will,
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