Verheißung des Glücks
müssen dir etwas gestehen. Wir haben etwas getan, worauf wir inzwischen ganz und gar nicht mehr stolz sind. Aber wir haben in bester Absicht gehandelt.«
»Wir? Wer ist in diesem Fall >wir«
»Alle, die hier sind.«
»Das stimmt nicht ganz«, meldete sich Ian Six zu Wort. Er bedachte Neill mit einem vorwurfsvollen Blick. »Ich habe nichts damit zu tun, Meli. Bei so etwas hätte ich niemals mitgemacht. Die älteren Brüder und ich haben es selbst erst heute Morgen erfahren. Aber ich glaube, du solltest dich nun erst einmal setzen.«
Melissa löste sich vom Türrahmen. Die Angst machte ihre Schritte steif. »Ich will es nicht wissen.«
»Es hilft nichts, wir müssen es dir sagen.«
»Nein«, sie schüttelte energisch den Kopf. »Geht zurück in euer Hotel, geht zurück ins Hochland! Es gibt keinen Grund für euch, noch hier zu bleiben. Ich habe Ian dem Ersten bereits gesagt, dass mein Vater eine Entscheidung treffen wird, sobald er in London ist. Und so lange werde ich abwarten.«
»Aber unser ältester Bruder hat uns in seiner uner-messlichen Weisheit leider nichts davon gesagt«, erklärte Charles mit dem für ihn üblichen Sarkasmus. »Wir wussten nur, dass Line sich trotz unseres Verbotes mit dir getroffen hat. Und dagegen mussten wir etwas unternehmen.«
»Nun schiebt nicht die ganze Schuld auf Ian One. Jeder Einzelne von euch hätte mir von Anfang an sagen können, was ihr getan habt«, antwortete Melissa ungnädig. »Lincoln ist übrigens derselben Meinung.«
»Du hast Recht, und es tut uns auch wirklich Leid«, sagte Johnny.
Ein paar andere murmelten jetzt ebenfalls Entschuldigungen. Dabei fühlten sie sich äußerst unwohl, denn sie hatten ja längst noch etwas viel Schlimmeres angerichtet.
Melissa ließ sich seufzend zwischen Ian Five und Callum nieder. »Also, heraus mit der Sprache! Was habt ihr jetzt wieder verbrochen?«
Schweigen und zerknirschte Blicke waren die Antwort. Melissa hielt unweigerlich die Luft an. War es denn so schlimm, dass keiner es auszusprechen wagte?
Ian Six, der seine Hände diesmal in Unschuld wusch, hatte weniger Skrupel, das angespannte Schweigen zu beenden. »Sie haben Lincoln entführt und auf ein Schiff gebracht, das nach China unterwegs ist. Sie haben den ersten Maat bestochen, damit er verhindert, dass Lincoln unterwegs irgendwo das Schiff verlässt. Er wird also die gesamte Reise mitmachen, und die kann zwei bis vier Jahre dauern. Wenn nicht sogar länger. So genau weiß das niemand.«
Melissa starrte zuerst Ian Six an und dann der Reihe nach alle ihre Onkel. Außer Ian wich jeder ihrem Blick aus. Ian glaubte offenbar, was sie ihm gesagt hatten, und hatte es nun auch ihr erzählt. Sie selbst glaubte es nicht.
»Das ist eine List, nicht wahr? Ihr meint, wenn ihr sagt, er ist weg, werde ich ihn vergessen. Er musste aus irgendeinem Grund die Stadt verlassen, ihr habt es erfahren und wollt es nun ausnutzen. Ich kann einfach nicht glauben, dass ihr mich derart hinters Licht führen wollt.«
Eigentlich hätte die Raumtemperatur ansteigen müssen, so viele rote Köpfe gab es nun. »Es war meine Idee, Meli. Ich bin an allem schuld«, sagte Jamie mit einem verzagten Blick.
»Deine Idee? Ach ja. Aber ihr seid alle hier. Das heißt, ihr wart euch einig. Und jetzt los! Erzählt mir das Ende der Geschichte. Ich warte.«
Ian Four und Neill, die links und rechts von Johnny auf dem anderen Sofa saßen, stießen ihren Bruder gleichzeitig an. Mit seinen zweiunddreißig Jahren war er im Augenblick der Alteste von ihnen, und sie nahmen an, ihm würde Melissa noch am ehesten glauben.
Es gefiel ihm nicht, dass er nun die Suppe auslöffeln sollte. Darum klang er ein wenig verdrossen, als er nun begann: »In einer Sache liegst du richtig, Meli. Wir würden dich wirklich niemals so hinters Licht führen.« Sie schüttelte den Kopf, aber er war noch nicht fertig. »Es ist nichts wirklich Schlimmes passiert. Wir haben Lincoln einfach ermöglicht, ein Leben zu führen, wie er es sonst wahrscheinlich nie gehabt hätte. Die Welt zu bereisen, kann eine großartige Erfahrung sein. Frag Jamie. Ihm würde das auch gefallen. Und weil dir dein Vater sowieso verboten hätte, diesen Mann zu heiraten, haben wir dir im Grunde geholfen. Denn nun kannst du gleich damit anfangen, ihn zu vergessen. Es ist vorbei. Niemandem wurde ein Haar gekrümmt. Und das wäre sicher geschehen, wenn Lincoln hier in London noch öfter gegen unser Verbot verstoßen hätte. Das soll nicht heißen, dass es uns nicht
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