Verheißungsvolle Küsse
unmöglich.« Sie konnte und wollte es nicht glauben.
»Warum hast du ihm dann dieses Ding - diesen Dolch - noch nicht gebracht? Warum so lange gezögert … Deswegen bin ich gekommen. Vielleicht gibt es irgendein Problem?«
»Was das betrifft …« Helena schnitt eine Grimasse. Es gab ein Problem, aber sie würde es trotzdem tun … für Ariele. »Fabien behauptet, der Dolch sei hier, versteckt in diesem großen Haus, und damit hat er sicher Recht. Aber weder Louis noch Villard konnten ihn finden - wir drei haben alle möglichen Stellen bis auf eine durchsucht. Dort muss er sein. Ich wollte heute Abend dort suchen, aber …«
Phillipe packte ihre Hand. »Komm - lass uns gleich damit beginnen. Wir können suchen, solange alle im Haus noch schlafen, ihn nehmen und fliehen, bevor irgendjemand erwacht. Ich habe ein Pferd …«
»Nein.« Helena versuchte ihm ihre Hand zu entziehen, aber Phillipe hielt sie fest. »Wir brauchen dazu mehr Vorsprung, sonst erwischt uns Monsieur le Duc - und Ariele kann nicht gerettet werden.«
Phillipe sah sie verwirrt an, grollte: »Du hast Angst vor diesem Duke - das hätte ich nicht von dir gedacht!« Er richtete sich auf und sah vorwurfsvoll auf sie hinunter. »Aber das spielt keine Rolle. Jetzt wo ich hier bin, kannst du mir die Stelle verraten; ich werde ihn stehlen, zurückbringen und Ariele befreien.«
Nur die Tatsache, dass er es offensichtlich ernst meinte, rettete ihn vor ihrem Zorn. » Nein! Du verstehst das nicht.« Sie verkniff sich mühsam, ihm zu sagen, dass er noch ein Junge war, ein naiver Junge, der sich in die Spiele mächtiger Männer einmischen wollte. »Glaubst du etwa nicht, Louis hätte den Dolch längst an sich genommen, wäre verschwunden und hätte sich bei deinem Onkel Liebkind gemacht, wenn es so einfach wäre? Fabien hat mir diesen Diebstahl aufgetragen. Mir und keinem anderen!«
»Warum? Wenn er ihn haben will, welche Rolle spielt dann der Überbringer?«
Helena seufzte. »Er wird seine Gründe haben. Einige sehe ich, andere kann ich nur raten.« Der Gedanke, dass Fabien vor allem trachtete, Sebastian zu verletzen - zu verwunden - lastete auf ihrem Herzen.
Ihr Widerstreben musste sich Phillipe irgendwie mitgeteilt haben; erneut packte er ihre Hand. »Aber du musst diesen Dolch bald holen, ja?« Er sah sie flehend an, dann lächelte er, seine Mimik war in ihrer Schlichtheit herzzerreißend. »Aber ja, natürlich wirst du das. Du bist gut und loyal, tapfer und großzügig - du wirst nicht zulassen, dass mein Onkel deiner Schwester ein Leid antut.« Er drückte ihre Hand, dann ließ er sie los und sein Lächeln wurde etwas zuversichtlicher. »Also wirst du es in der kommenden Nacht erledigen - nicht wahr?«
Helena registrierte die ruhige, solide Zuversicht, mit der Phillipe sie ansah und war dankbar, dass Ariele einen so unerschütterlichen Kavalier gefunden hatte. Wenn sie doch nur auch so einen hätte, einen, der sie um jeden Preis retten wollte. Phillipe wartete geduldig auf ihre Antwort und sie wusste, wie sie lauten musste.
Trotzdem zögerte sie noch. Versuchte, nicht an die Wärme, das Teilen, die Verzückung - die mächtige Liebe der gerade vergangenen Stunden zu denken. Versuchte, dieses Glück aus ihrem Bewusstsein auszusperren. Versagte. Versuchte, Sebastian aus ihrem Kopf zu vertreiben, aus ihrem Herzen - doch das würde sie nie schaffen. Es fühlte sich an, als risse ihr Herz langsam entzwei.
Sie spürte, wie Tränen aufstiegen, richtete sich auf, öffnete den Mund, begann zu nicken.
Ein tiefer Seufzer durchbrach die Stille.
» Mignonne , du hättest es mir sagen sollen!«
Helena keuchte auf vor Schreck, wirbelte herum, mit der Hand auf dem Mund, und starrte zum Bett. Eine weiße, langfingrige Hand packte den Vorhang. Das Rasseln, als er auseinander gezogen wurde, hallte durch den Raum.
Sebastian lag, auf einen Ellbogen gestützt, in den Kissen. Die Decke war bis zu seiner Taille hinuntergerutscht und enthüllte die kräftige Muskulatur seines Brustkorbs. Sein Blick ruhte einen Augenblick auf ihr, dann glitt er zu Phillipe. »Ihr seid mit dem Comte de Vichesse verwandt?«
Seine Stimme klang ruhig, aber ein bedrohlicher Unterton schwang darin.
Phillipe schluckte, trat mit erhobenem Haupt vor und verbeugte sich steif. »Er ist mein Onkel. Louis, wie ich glaube, Euer Gast hier - ist mein Bruder. Zu meiner Schande bin ich Phillipe de Sèvres.«
Helena hörte die Worte, sah aber Phillipe nicht an - war sich nicht sicher, ob sie ihm in
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