Verheißungsvolle Küsse
sich und sie drehte die erste Figur des Tanzes mit ihm. Denke! , befahl sie sich. An etwas anderes als ihn. Schau ihm nicht in die Augen. Lass dir von seiner Nähe nicht die Sinne vernebeln.
Als sie sich in der Kutsche auf dem Weg zum Ball über seine Arroganz, zwei Tänze zu fordern, beklagt hatte, hatte Marjorie gelächelt und genickt, gönnerhaft - gerade so, als ob St. Ives nicht einer der berüchtigtsten Frauenhelden Londons wäre. Als wäre er nicht derjenige, den Marjorie selbst als dangereux bezeichnet hatte.
Noch mehr hatte Louis’ Nachsicht sie überrascht. Er war doch angeblich ihr Beschützer. Helena unterdrückte ein verächtliches Schnauben. Sie vermutete, dass Louis sich nicht ganz bewusst war, welchen Ruf Monsieur le Duc hatte und auch nicht über die bekannte Tatsache nicht zu heiraten, informiert war. Als St. Ives kam, um seinen Tanz einzufordern, stellte Louis dämliche Zufriedenheit zur Schau.
Wie dem auch sei, sie hatte festgestellt, dass Zorn ihre beste Verteidigung gegen Sebastian war. Sie sah ihm frech in die Augen. »Ich nehme an, Ihr werdet London in Kürze verlassen?«
Sein großer Mund verzog sich zu einem Lächeln. »In der Tat, mignonne . Ich begebe mich aufs Land.«
»Und wo werdet Ihr die Feiertage verbringen?«
»Auf Somersham Place, meinem Hauptsitz - in Cambridgeshire.« Sie drehten sich auseinander und er fragte: »Und wohin zieht Ihr Euch zurück, mignonne ?«
»Die Thierrys haben sich noch nicht entschieden.« Als sich ihre Wege wieder kreuzten, bemerkte Helena Sebastians Heiterkeit. Scheinbar waren heute Abend alle mit sich zufrieden.
Deshalb zwitscherte sie nun: »Ist Lord Were schon nach London zurückgekehrt?«
Sie sah zu ihm hoch.
Sebastians Miene wurde grimmig und er fing ihren Blick ein. »Nein. Und er wird auch in naher Zukunft nicht erwartet.«
Sie drehten sich noch einmal im Kreis, Helena konnte den Blick nicht von ihm wenden - wagte es nicht. Die Bewegungen des Tanzes waren fast ein Spiegel ihres Verhältnisses: Hände berührten sich, ließen voneinander, die Drehungen, die sie zuerst weg-, und dann unweigerlich zusammenführten.
Mit raschelnden Röcken wirbelte sie vor, hielt einen Moment inne, hob die Hände. Er trat dicht hinter sie, seine Finger umschlossen die ihren und sie schritten im Takt mit den anderen Tänzern übers Parkett.
»Reizt mich nicht, mignonne ! Heute Abend ist Lord Were nicht hier, um Euch zu retten.«
Die leise gemurmelten Worte waren Bedrohung und Versprechen, sie huschten über ihre entblößte Schulter - ihre nackte Haut begann zu prickeln.
Sie neigte leicht den Kopf und murmelte ihrerseits: »Ich habe es Euch gesagt, Euer Gnaden, ich bin nicht für Euch bestimmt.«
Er schwieg einen Moment, dann flüsterte er: »Ihr werdet mir gehören, mignonne - zweifelt nie daran!«
Nun ließ er sie los und sie trennten sich, flossen mit dem Tanz dahin - als sie sich wegbewegte, berührten seine Finger ihren Nacken, streiften weiter nach unten und lösten sich.
Helena spürte die Berührung in ihren Brustspitzen als einen Strom von Hitze, der unter ihrer Haut brodelte. Sie zwang sich locker zu lächeln, zwang sich, seinem Blick direkt zu begegnen.
Am Ende des Tanzes zog er sie hoch und führte ihre Hand an seine Lippen. »Bald, mignonne - bald.«
Niemals! , schwor sie; aber es würde nicht leicht sein, sich ihm zu widersetzen.
Sie konnte ihr Versprechen, ihm noch einen Tanz zu gewähren, nicht brechen, aber wenn er sie nicht fände …
Plaudernd, lachend schmiedete sie insgeheim Pläne. Louis trieb sich wie immer in ihrer Nähe herum, impulsiv nahm sie seinen Arm. »Flaniert mit mir, mein Bester.«
Er fügte sich mit einem kurzen Schulterzucken. Helena dirigierte ihn zum hinteren Ende des Raumes, wo die Drachen von Matronen saßen, mit scharfen Augen die Menge musterten, unaufhörlich schnatternd, Ausschau hielten, um bei der leisesten Andeutung eines Skandals ihrem Missfallen Ausdruck zu verleihen.
»Ich habe mir überlegt«, sagte sie, »dass Lord Were ein passender Ehemann für mich sein könnte. Wie denkt Ihr über seine Lordschaft und glaubt Ihr, Fabien würde einen Antrag von ihm begrüßen?«
»Were?« Louis runzelte die Stirn. »Ist das der große dunkelhaarige, etwas korpulente Gentleman, der gerne braune Jacketts trägt?«
Sie hätte ihn nicht als korpulent bezeichnet. »Er wird demnächst in die Schuhe eines Marquess steigen, was Fabien im Hinblick auf Titel befriedigen wird. Und auch in anderer Hinsicht scheint er
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