Verheißungsvolle Sehnsucht
von denen keiner seine Familie ohne die Unterstützung meiner Eltern und des alten Herrn unterhalten kann.«
»Das ist traurig. Aber wie haben Sie es denn geschafft, ohne Kontakt zu ihnen? Ich meine, Sie sind ja offensichtlich erfolgreich.«
»Ich glaube, jetzt sind Sie wieder an der Reihe«, erklärte er. »Ich habe Ihnen mein Herz ausgeschüttet, während ich über Sie bisher nur weiß, dass Ihr Vater ein Arschloch ist und Ihre Mutter nach einem langen Kampf gegen den Krebs gestorben ist.«
»Sie dürfen mir eine Frage stellen, wenn Sie mir eine letzte Frage beantworten.«
Er sah sie neugierig an. »Dann darf ich aber zwei stellen, denn Sie haben Ihr Kontingent bereits erschöpft.«
Ihre Lippen zuckten amüsiert. »Ist Ihnen eigentlich klar, wie unproduktiv diese Unterhaltung ist, wenn wir ständig versuchen, einen Gleichstand herzustellen?«
»Die Unterhaltung muss deswegen nicht unproduktiv sein. Aber in Ordnung, ich werde antworten. Aber das ist die vorerst letzte Frage, bis Sie mich wieder eingeholt haben.«
»Abgemacht«, sagte sie lächelnd.
»Gabe Hamilton, Jace Crestwell und ich haben uns auf dem College angefreundet. Jace’ Eltern starben bei einem Unfall, als er zwanzig war, und er musste sich von da an um seine viel jüngere Schwester kümmern. Danach änderte sich unsere Sicht aufs Leben. Vorher war uns alles egal gewesen, wir machten unsere Scheine und interessierten uns vor allem für Bier und Frauen. Sobald wir das College verlassen hatten, gründeten wir unsere Firma. Wir haben mit einem Hotel angefangen und viel Herzblut sowie jeden Penny, den wir zusammenkratzen oder leihen konnten, in dieses Projekt fließen lassen. Wir warteten ein Jahr und expandierten dann. Das erste Hotel setzten wir bei der Bank als Sicherheit ein und erhielten so das Geld für die Finanzierung weiterer Objekte. Von da an konnten wir uns mithilfe der ersten Hotels und dem zugehörigen Erfolg schnell vergrößern, es wurde immer leichter, Investoren zu finden.«
»Dann hat Ihre Familie also gar nichts mit Ihrem Erfolg zu tun.«
»Kein bisschen«, stieß er hervor. »Ich würde nicht einmal einen einzigen Cent von ihr annehmen. Ich wollte nicht, dass sie mich zu ihrer Marionette macht. Und ich wollte sie nicht in meiner Firma haben.«
»Das hat ihnen bestimmt nicht sonderlich gut gefallen«, murmelte sie.
Er grinste. »Nein. Alle waren sauer, weil ich es erstens ohne sie geschafft hatte und weil ich zweitens mein Geld nicht mit ihnen teilte. Es ist ein bisschen so, als wenn Ihr Vater plötzlich morgen auftauchen würde, um eine glückliche Familie zu mimen.« Ihr Blick flackerte wütend, und sie presste bei der Erwähnung ihres Vaters die Lippen aufeinander.
Er beugte sich vor und streckte den Arm aus, um nach ihrer Hand zu greifen. Ein Muskel zuckte in ihrem Arm, und sie erzitterte.
»Jetzt bin ich dran. Ich darf Ihnen zwanzig Fragen stellen.«
»He, das waren doch noch gar keine zwanzig.«
»Aber fast«, brummte er.
Sie seufzte. »Na gut. Nun fragen Sie schon.«
Sein Blick wanderte sofort zu ihrem Hals. Zu dem schmalen Streifen heller Haut, auf dem das Halsband gelegen hatte. Sein Fehlen war ihm als Erstes aufgefallen, als sie aus dem Pfandleihhaus getreten war, aber er hatte sich keine falschen Hoffnungen machen wollen. Doch die Tatsache, dass sie seine Einladung angenommen hatte, wenn auch durch Erpressung, und dass sie das Halsband auch heute Abend nicht trug, bedeutete ihm, dass sie von dem, was zwischen ihnen war, zumindest fasziniert war. Was auch immer es sein mochte.
»Warum tragen Sie das Halsband nicht?«, fragte er sanft.
Ihre freie Hand fuhr sofort an ihren Hals, und sie sah ihn bestürzt an. Aber sie blieb stumm und presste die Lippen fest aufeinander.
»Josie? Warum tragen Sie das Halsband nicht?«
Sie seufzte. »Ich treffe mich nicht mehr mit ihm.«
Er musste sich sehr zusammenreißen, um eine Reaktion auf diese Information zu unterdrücken. Er hatte das zwar schon vermutet, aber keine voreiligen Schlüsse ziehen wollen.
»Was ist passiert?«
Sie entzog ihm ihre Hand und ließ sie auf ihren Schoß fallen. Sie hielt den Blick gesenkt und vermied es stetig, ihm ins Gesicht zu sehen. Er wartete und ließ sie nicht vom Haken. Das hier war zu wichtig. Er wollte alles wissen.
»Haben Sie den Schlussstrich gezogen oder er?«, fragte er schließlich.
»Ich.«
»Wollen Sie mir sagen, warum? Was ist passiert, Josie?«
Ihr Kopf fuhr hoch und sie sah ihn mit blitzenden Augen an. »
Sie
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